Interview: Was bedeutet Compliance im Mittelstand?

Compliance ist im Mittelstand angekommen. Es gilt Risiken für Geschäftsführer und Unternehmen zu kennen und zu managen. Welche dramatischen Auswirkungen drohen können, zeigt ein Beispiel eines Automobilherstellers, bei dem gegen rund hundert Beschuldigte wegen des Verdachts der Bestechung, der Bestechlichkeit, des Betruges oder der Untreue ermittelt wurde. Was bei der Annahme von Geschenken und Zuwendungen im Wirtschaftsleben zu beachten ist, diskutierten wir mit RA Ralf-Wolfgang Lothert.

Ralf Lothert IT-OnlinemagazinIT-Onlinemagazin: Was bedeutet „Compliance“ in einem Wirtschaftsunternehmen?

Ralf Lothert: Compliance ist eigentlich nichts Neues. Compliance besagt im Grunde, dass das Unternehmen sich an Recht, Gesetz und Anstand halten soll. Oder einfacher gesagt: „Man sollte so handeln wie ein redlicher Kaufmann“.

Die Welt dreht sich aber immer schneller. Die Geschäfte werden international und vielleicht auch komplizierter.

Genau deshalb erscheint es wichtig einem Unternehmen, dem Management, klare Richtlinien mit auf den Weg zu geben, wie man sich im Geschäftsleben verhält. Diese Richtlinien oder vielleicht besser als das Grundgesetz des Unternehmens, z.B. Code of Conducts etc., sind die Basis der Maßnahmen eines Unternehmens. Dann ist es wichtig, dass das Management als Vorbild dieses recht- und richtlinienmäßige Verhalten vorlebt und als festen Bestandteil ihres Handelns sieht.

Herr Lothert, was sagen Sie zu dem aktuellen Fall der Korruptionsvorwürfe bei einem Automobilhersteller? Dort ließ sich eine Korruption offensichtlich nicht verhindern.

Selbstverständlich will und kann ich den konkreten Fall nicht bewerten. Dieser und andere Fälle zeigen aber, dass Korruption und Bestechlichkeit wohl in allen Facetten und Formen auch in Deutschland nicht ganz unalltäglich ist. Es macht deutlich, wie wichtig es ist, dass Firmen jeder Art und Größe funktionierende Compliance Richtlinien, das entsprechende Compliance System, aber vor allem das entsprechende Verständnis von Recht und Unrecht haben.

Gibt es in mittelständischen Unternehmen ebenfalls Bestechungsrisiken?

Grundsätzlich sind die Risiken von möglichen Gesetzes- oder Richtlinienverstößen in mittelständischen Unternehmen nicht viel anders als bei Großunternehmen. Wenn um Aufträge gekämpft, Waren eingekauft oder Marketing betrieben wird, besteht immer die Gefahr einer rechtlich nicht einwandfreien Einflussnahme.

Mit welchen Konsequenzen ist dann zu rechnen?

Damit besteht das Risiko, dass bei einer Fehlleistung u.a. Schadensersatz, strafrechtliche Maßnahmen gegen die handelnden Personen und/oder das Unternehmen erfolgen können. Darüber hinaus kann dies zu Gewinnabschöpfungen, Sperrung bei öffentlichen Aufträgen, Eintrag ins Gewerbezentralregister bis zum Entzug des Gewerbes führen. Losgelöst davon kann der Image- und Reputationsverlust Unternehmen in die Knie zwingen.

Vorbeugend kann ein Unternehmen sicherlich entsprechende Maßnahmen ergreifen.

Dann bedarf es selbstverständlich auch der entsprechenden Schulung des Managements und der Mitarbeiter, was in welchen für Sie spezifischen Situationen richtig und falsch ist. Darüber hinaus braucht es auch eine Art von Kontrolle durch einen entsprechenden Verantwortlichen. Das Ziel kann nur sein, dass ein solches richtiges vorgegebenes Verhalten als ganz selbstverständlich gilt und überall danach gehandelt wird. Im Umkehrschluss sollte genauso selbstverständlich dann sein, dass man unredliches Verhalten nicht duldet, sondern zur Aufdeckung bringt.

In welchen Fällen dürfen Mitarbeiter im Umgang mit Geschäftspartnern und Wettbewerbern sowie staatlichen Stellen Zuwendungen annehmen oder gewähren?

Das ist eine nicht ganz einfach zu beantwortende Frage. Bei privatwirtschaftlichen Geschäftspartnern muss man sich die Frage stellen: Könnte es sich durch die Zuwendung um eine Bestechung bzw. um Bestechlichkeit handeln? Erhält oder verspricht man mit der Zuwendung einen Vorteil auf den man keinen gesetzlichen Anspruch hat? Bei den Amtsträgern kommen dann die Korruptionsdelikte ins Spiel bzw. die entsprechenden Tatbestände für den Vorteilsgeber.

Dürfen Mitarbeiter kleine Geschenke – die keinen Vorteil bringen – ohne Probleme annehmen?

In vielen Unternehmen und Behörden gelten die Richtlinien, dass kleine Zuwendungen im Rahmen der geschäftlichen Gepflogenheiten erlaubt sind. Meistens wird dann noch eine geldliche Höchstsumme, z.B. 20 Euro genannt. Dies ist aber von Unternehmen zu Unternehmen verschieden. Deshalb sollte man immer vorab prüfen, welche Richtlinien gelten in dem Unternehmen bzw. Behörden für solche „ kleinen Geschenke/Zuwendungen“.

Man sollte solche Zuwendungen nicht an Einzelpersonen, sondern an die Unternehmen selbst richten. Es ist auch sinnvoll vorab mögliche steuerliche Implikationen zu prüfen. Man sollte darüber hinaus speziell für den Umgang mit Geschenken/Zuwendungen eine entsprechende Richtlinie im Unternehmen haben, mit einem entsprechenden Genehmigungsprozess und Dokumentation. In manchen Fällen ist bereits ein „Jahreskalender“ ein „Zuviel“!

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Lothert.

 

 

 

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Ralf Lothert ist Rechtsanwalt und u.a. Beirat der Concilius AG. Er war langjähriges Mitglied der Geschäftsleitung der Philip Morris GmbH und davor bei der DaimlerChrysler Rail Systems GmbH, Koch Neff und Volckmar GmbH sowie der Treuhandanstalt tätig. Er hat dabei die Rechtsabteilungen bei mehreren nationalen und internationalen Unternehmen geleitet oder dort mitgearbeitet. Ralf Lothert ist Experte für Compliance, HR, Corporate Affairs (Unternehmenskommunikation/Interessenvertretung), Produkt-, Vertrags- und Wettbewerbsrecht. [/box_light]

 

 

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BGH-Entscheidung: BGH vom 17. Juli 2009 (5 StR 394/08)
http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&nr=48874&pos=0&anz=1

„Das Aufgabengebiet eines Compliance Officers ist die Verhinderung von Rechtsverstößen, insbesondere auch von Straftaten, die aus dem Unternehmen heraus begangen werden und diesem erhebliche Nachteile durch Haftungsrisiken oder Ansehensverlust bringen können. Derartige Beauftragte wird regelmäßig strafrechtlich eine Garantenpflicht im Sinne des § 13 Abs. 1 StGB treffen, solche im Zusammenhang mit der Tätigkeit des Unternehmens stehende Straftaten von Unternehmensangehörigen zu verhindern. Dies ist die notwendige Kehrseite ihrer gegenüber der Unternehmensleitung übernommenen Pflicht, Rechtsverstöße und insbesondere Straftaten zu unterbinden.“
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