Gute SAP-Expertinnen und -Experten sind schwer zu finden. Und dementsprechend teuer. Auf sie zu verzichten, kann trotzdem keine Option sein. Denn ohne sie werden Unternehmen die Transformation ihrer SAP-Prozesse kaum bewältigen können.
Wir haben mit Julia Winter, Recruiting Managerin SAP bei der dr. Fuchs Personalberatung darüber gesprochen, was SAP-Experten wertvoll macht, worauf sie bei Gehaltsverhandlungen achten sollten und warum sich Gehaltseinbußen zuweilen bezahlt machen können.
SAP-Gehälter steigen 2025
Warum zählen SAP-Experten im IT-Arbeitsmarkt finanziell zur Crème de la Crème?
Das ERP-System der SAP ist für viele Firmen das informationstechnische Rückgrat sämtlicher Geschäftsprozesse. Und dementsprechend natürlich seit jeher von zentraler Bedeutung. Mit zunehmender Digitalisierung der Wirtschaft ist es aus dem Unternehmensalltag nicht mehr wegzudenken. Angesichts der Tatsache, dass einerseits die IT in Summe an Bedeutung zunimmt, andererseits der Transformationsstau der Betriebe auf dem Weg zu SAP S/4HANA den Bedarf nach qualifizierten SAP-Experten aktuell massiv ankurbelt, überrascht die Höhe der Gehälter im SAP-Umfeld kaum. Schließlich herrschen auf dem Arbeitsmarkt klassische Marktgesetze: Auch dort entscheiden Angebot und Nachfrage über den Preis. Und da zwischen Angebot und Nachfrage im SAP-Beratungssegment die Schere derzeit immer weiter auseinander geht, schrauben sich die Gehälter entsprechend stark nach oben.
Laut einer aktuellen Erhebung der Jobplattform Freelancermap will mehr als ein Drittel (39 Prozent) der freiberuflichen SAP-Expertinnen und -Experten im kommenden Jahr den Stundensatz erhöhen, in Beratungsunternehmen zeichnet sich ein ähnlicher Entwicklungspfad ab.
Was verdient ein erfahrener SAP-Berater hierzulande denn heute so im Schnitt?
Das ließe sich sicher berechnen. Aber wozu? SAP-Beratungsgehälter variieren je nach Einsatzgebiet, Branche und Region stark. Der Durchschnittswert ist dementsprechend wenig aussagekräftig. So viel ist aber gewiss: Den erfahrenen Fachmann, der Prozesse beschreibt, Lösungen auch in Verbindung mit Non-SAP Systemen designt, ganze Lösungsarchitekturen baut, ggf. auch noch kleine Codings übernimmt und mit einem jährlichen Gehaltsscheck von 80.000 Euro nach Hause geht, gibt es definitiv nicht.
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Wenn ein Unternehmen nach adäquaten Fachkräften sucht und wir über passende Profile sprechen, ist die Diskussion um vermeintlich hohe Gehälter, Stunden- und Tagessätze ein Klassiker – und sicher an der ein oder anderen Stelle berechtigt. Wir erleben in Verhandlungsgesprächen immer wieder recht verblüffende Diskussionen. Denn einerseits agieren heute viele Unternehmen wesentlich kostensensitiver als in den vergangenen Jahren und haben dementsprechend Schwierigkeiten, SAP-Experten in ihrem Gehaltsgefüge abzubilden. Hinzu kommt, dass sich die SAP Gehälter schneller entwickelt haben als die Gehaltsbänder in Summe. Auf der anderen Seite hat die ständige Thematisierung des Fachkräftemangels in den Medien beim ein oder anderen Junior-Berater zu deutlich überhöhten Gehaltserwartungen geführt. Diesen Widerspruch zu lösen, erfordert eine Menge Fingerspitzengefühl.
Auch SAP-Nachwuchs kennt seinen Wert
Junior-SAP-Consultants sind im Netz schon für Einstiegsgehälter von rund 50.000 Euro zu haben. Gibt es doch Möglichkeiten, Berater für weniger als 80.000 Euro zu finden?
50.000 Euro halte ich für ein sehr valides Einstiegsgehalt, unter Umständen liegt dies inzwischen etwas höher. Wer allerdings glaubt, mit dem Einsatz von Junior SAP-Beratern ein Schnäppchen zu machen, wird in der Regel enttäuscht: Denn auch der SAP-Nachwuchs kennt seinen Wert und ruft bereits nach 4 bis 5 Jahren Berufserfahrung Gehälter zwischen 80.000 und 100.000 Euro auf. Und das, obwohl man sich in dieser kurzen Zeit weder fachlich (Hard Skills) noch persönlich (Soft Skills) zum Alleskönner entwickeln kann. Berater, die dem geforderten Profil annähernd gerecht werden und gehaltlich zumindest grob im grünen Bereich sind, gibt es sicherlich auch. Sie sind in der Regel jedoch so gefragt, dass sie 100fach angesprochen werden. Und dann kommen wir wieder zu den hohen Gehältern.
Sollten Unternehmen bei SAP-Transformationsprojekten also eher auf erfahrene Consultants setzen und entsprechend mehr Personalkosten einkalkulieren?
Man braucht ganz klar den optimalen Mix: Einerseits sehr erfahrene Berater, die dafür sorgen, dass alles rund läuft und Fehlerquellen in der Planung weitestmöglich reduzieren. Andererseits aber können Junior-Berater die operative Umsetzung unterstützen und genau hier auch eigene Erfahrungen sammeln.
Vor allem für kleine und mittelständische Unternehmen ist es oftmals wichtig, rechtzeitig die Weichen zu stellen, um potenziellen Nachfolgeproblemen im SAP-Team vorzubeugen. So können die älteren, meist langjährigen Mitarbeitenden im Unternehmen den Staffelstab in aller Ruhe an den Nachwuchs übergeben. Zugleich rechnet sich die Anstellung junger SAP-Fachkräfte aber auch dadurch, dass es günstiger ist, Experten aufzubauen und auszubilden, als diese am Arbeitsmarkt extern zu suchen.
Weiterbildung und Spezialwissen gefragt
Welche Skills machen „gute“ Senior-Berater besonders wertvoll für den Markt?
Das lässt sich so pauschal nur schwer sagen. Wichtig ist auf jeden Fall die konsequente Weiterentwicklung der eigenen Kompetenzen – unabhängig davon, ob es dabei um fachliche Aspekte oder Projekt-/ Organisationsmanagement geht. Sich in einer Nische wie Instandhaltung oder Customer Activity Repository (SAP CAR) stark zu machen, kann ebenfalls ein guter Weg sein, schränkt thematisch aber auch ein. Aktuell sind allerdings vermehrt Experten mit Spezialwissen in einer bestimmten Nische stark nachgefragt.
Darüber hinaus zeichnen sich „gute“ Senior-Berater durch umfassende Softskills aus: Dazu zählen vor allem Kommunikationsstärke – auch im fachlichen Austausch – sowie ausgeprägte Fähigkeiten im Eskalations- und Konfliktmanagement. Gerade weil Transformationsprojekte in der Regel die gesamte Organisation betreffen, sind entsprechende Kompetenzen für SAP-Experten unverzichtbar. Denn wo viele verschiedene Persönlichkeiten zusammenarbeiten und Innovationen umgesetzt werden, sind Konflikte erfahrungsgemäß eher die Regel als die Ausnahme.
Wie setzen sich attraktive Gehälter und Benefits für SAP-Experten in der Regel zusammen?
Hier gibt es derzeit viele Kombinationen und Spielarten, von hohem Fixum und geringem variablen Anteil, bis hin zu 30 Prozent variabler Vergütung. Im Vertrieb ist der variable Anteil sogar eher noch höher. Die aktuelle Tendenz geht in Richtung höheres Fix-Gehalt. Ich denke aber nicht, dass sich dies in einer durch Performance geprägten Umgebung wirklich flächig durchsetzen wird.
Geld ist meines Erachtens kein reiner Hygiene-Faktor. In den zahlreichen Gesprächen, die meine Kollegen und ich führen, reden wir wenig über Obstkörbe, Jobräder, Fitness-Abos oder die Bezuschussung von Nahverkehrsangeboten. Wir reden auch wenig über Nachhaltigkeit. Wir reden über angemessene oder nicht angemessene Gehälter, Firmenwagen und Möglichkeiten einer flexiblen Arbeitsplatzgestaltung.
Worauf kommt es bei Gehaltsverhandlungen an?
Es ist ein wenig wie auf der Jagd: der erste Schuss muss sitzen. Nicht zu hoch, sonst wird man abgelehnt, nicht zu niedrig, da Nachverhandeln nicht gut ist. Es verdirbt den Anfang (und dem wohnt bekanntlich ein Zauber inne) und kann im schlimmsten Fall zum Abbruch des Prozesses führen.
Daher besser alles vorher nochmal ansehen und durchrechnen (Fixum, Bonus, Firmenwagen, ggf. zusätzliche Urlaubstage, Anteile, Altersvorsorge, Kitazuschuss, kostenfreie Kantine etc.) und dann ein solides / gerechtfertigtes Gehalt aufrufen.
Personalsuche: Spagat zwischen Wunsch und Wirklichkeit
Aus Personalexperten-Sicht: Welche Herausforderungen gibt es bei der Suche und Vermittlung von erfahrenen SAP-Spezialisten?
Aktuell sehen wir unsere Rolle vor allem darin, auf beiden Seiten zwischen Wunsch und Wirklichkeit zu vermitteln. Die Fragen, die sich Unternehmen stellen müssen: Wie realistisch in Bezug auf Marktgegebenheiten sind meine Erwartungen? Und was kostet es die Organisation, auf den perfekten Kandidaten zu warten?
Auf Kandidatenseite kann es durchaus Sinn ergeben, für eine verantwortungsvolle Rolle, die die Karriere pusht, nicht ausschließlich auf maximalen Gehaltszuwachs zu pochen. Im Sinne einer vernünftigen Karriereplanung empfiehlt es sich zuweilen, bei dem ein oder anderen Wechsel auf allzu große Gehaltssprünge zu verzichten. Das lässt sich angesichts der rasanten Gehaltsentwicklung der vergangenen Jahre aktuell zwar nur schwer vermitteln, kann aber nichtsdestotrotz ein kluger Schachzug sein. Auf Dauer zahlt es sich nämlich aus, wenn SAP-Spezialisten nicht nur auf das Geld schauen, sondern vor allem darauf, welche Angebote und Projekte Möglichkeiten bieten vorhandenes Wissen gezielt auszubauen, Kompetenzen weiterzuentwickeln und das eigene Profil zu schärfen.
Vielen Dank!
Die Fragen stellte Kirsten Schmidt, Redakteurin IT-Onlinemagazin