SAP-Prozesse mit Microsoft veredeln: Reshape und Recreate

Die Kombination der Portfolios von SAP und Microsoft kann weitaus mehr leisten als „nur“ die Verlagerung von SAP-Workloads in die Cloud.

Von Dr. Christian Lechner, CTO der minnosphere (ein Mitglied der msg-Gruppe), wollte ich wissen, welche neuen Lösungswege die intelligente Integration liefert, welche Anwendungsszenarien es gibt, wie sich bestehende SAP-Prozesse anreichern lassen und welche Potenziale Side-by-Side-Erweiterungen auf der Azure-Plattform mithilfe von Serverless-Technologien in Aussicht stellen.

 

Als IT-Verantwortlicher kann man zwischen einigen Cloud-Plattformen wählen. Warum sollte man über „SAP und Azure“ nachdenken?

Lechner 080615-07Christian Lechner: Zum einen haben viele Unternehmen den einen oder anderen Cloud-Service von Microsoft bereits im Haus, sei es in Form von Microsoft 365 oder Azure Active Directory. Es ist daher oft naheliegend und sinnvoll, das bestehende Know-how und die eventuell schon vorhandene Integration mit SAP zu nutzen und durch die Azure-Plattform weiter auszubauen.

Zum anderen wird ein weiterer Aspekt sichtbar, wenn man den Blickwinkel etwas weiter fasst als „nur“ auf Azure und sich das Microsoft-Portfolio ansieht: Denn neben Azure gibt es noch Microsoft 365 und die Power-Plattform. Genau dieses Angebot von Microsoft, das ich mit SAP kombinieren kann, stellt aus meiner Sicht ein Alleinstellungsmerkmal dar. Ich kann so für meine Anwender Lösungen in allen Arbeitsbereichen zur Verfügung stellen – angefangen von der Integration von SAP mit Office Tools, über die Power Plattform als Low Code Extension, bis hin zur Nutzung von Azure-Services im SAP oder Side-by-Side Extensionen.

 

Welche neuen Lösungswege ergeben sich für SAP-Anwenderunternehmen, wenn sie die SAP- und Microsoft-Welten verbinden?

Die Verbindung von SAP und Microsoft ermöglicht Unternehmen, das Beste aus den Portfolios beider Welten zu kombinieren und dabei die Lebens- bzw. Arbeitsrealität der Anwender zu berücksichtigen.

Warum sollte ich einen Nutzer, dessen Arbeit sich zu 90 % im Microsoft-Ökosystem abspielt, zwingen, seinen Arbeitsfluss durch einen Systemwechsel nach SAP zu unterbrechen? Es ist in diesem Fall viel logischer, die SAP-Welt nahtlos in die Microsoft-Welt zu integrieren und so den Anwender in seinem Flow zu unterstützen.

Eine weitere Option wäre die Integration von Azure Cognitive Services in SAP-Prozesse, um diese zu veredeln. Bei größeren Prozesserweiterungen kann man über Side-by-Side Extensions mit Microsoft Azure, entsprechend dem oft zitierten Motto „keep the core clean“, nachdenken. Im Fokus muss aber immer der Mehrwert für das Unternehmen stehen — und nicht die Technologie per se.

 

Welche Anwendungsszenarien gibt es für die Integration von Microsoft Office in die SAP-Prozesse?

Der Klassiker der Integration ist die Freigabe eines SAP-Workflows über Microsoft Outlook: Der Empfänger des Workflows erhält eine E-Mail zum SAP-Work-Item. Es enthält die für die Entscheidung notwendigen Daten und die möglichen Aktionen. Der Empfänger kann den Workflow aus der E-Mail heraus genehmigen oder ablehnen, ohne sich im SAP-System anmelden zu müssen. Hinter den Kulissen kommen weiterhin die etablierte SAP-Technologie und die Standardprozesse im Unternehmen zum Einsatz.

Ein weiteres Beispiel: In vielen SAP-Modulen gibt es eine Terminverwaltung, also Daten, zu denen manuell Aktionen angestoßen werden müssen. Warum nicht diese Termine im Microsoft Planner mit all seinen Funktionalitäten integrieren und so dem Anwender das Leben leichter machen?

 

Welche Anwendungsszenarien haben Sie für Side-by-Side-Erweiterungen in Kundenprojekten realisiert, wenn die Azure-Cloud-Plattform zum Einsatz kam?

Generell handelt es sich um individuelle Erweiterung umfangreicher Teile von Geschäftsprozessen. Ein Beispiel wäre die Datenaufbereitung und -analyse von Eingangsdaten in einen SAP-Prozess, zum Beispiel weil Daten aus einem Eingangskanal stammen, der im Unternehmen nicht durch SAP-Technologie abgedeckt ist. Die Extension bereitet die Daten mit den in Azure verfügbaren Mitteln auf, führt sie dem SAP-Standardprozess zu und komplettiert diesen somit.

Ein mögliches Erweiterungsmuster ist das folgende: Es handelt sich um einen geschäftskritischen Prozess, den man nicht direkt im SAP-System erweitern will. Die Verarbeitung soll parallel zum Ist-Prozess erfolgen. Typisch sind hier beispielsweise Prozesse rund um die Supply Chain.

Bei einem Ereignis in der Supply Chain soll ein paralleler Analyseprozess gestartet werden, um etwaige Engpässe frühzeitig zu erkennen. Dieser Analyseprozess kann direkt in den bestehenden funktionierenden Prozess eingebettet werden. Allerdings sind dabei Seiteneffekte aufgrund von Fehlern in der Implementierung möglich. Damit wäre der funktionierende Prozess kompromittiert. Die Alternative ist eine lose gekoppelte Side-by-Side Extension. So kann ich die Anforderung erfüllen, ohne die Stabilität des Kernprozesses zu gefährden. Auch zukünftige Änderungen können dann schneller und ohne Risiko umgesetzt werden.

 

Welche Rolle spielt die SAP Cloud Platform in Ihren Projekten?

Die SAP Cloud Platform (SCP) ist ein Baustein für die Entwicklung von Erweiterungen im SAP Ökosystem. Die Plattform bietet insbesondere im Bereich Integration viele hilfreiche Services an. Daneben habe ich im Kontext der Erweiterung auch viele Business Services, wie zum Beispiel den Business Rules Service, die mich beim Bau von Lösungen unterstützen.

Leider wird in diesem Kontext das Thema SCP und Microsoft Azure oft als ein „entweder… oder“ wahrgenommen und auch sehr dogmatisch diskutiert. Letztlich kommt es darauf an, wie ich das Problem des Anwenders unter den Rahmenbedingungen im Unternehmen optimal lösen kann. Hier werde ich in vielen Fällen eine Kombination der beiden Plattformen nutzen, um daraus die beste Lösung zu entwickeln.

 

Welche Fragen sollten sich CIO in Bezug auf ihre zukünftige SAP-Strategie unbedingt stellen?

Aus meiner Sicht gibt es eine zentrale Fragestellung für CIO und diese ist in den letzten Jahren im Kern unverändert geblieben: Wie kann ich die Digitalisierung in meinem Unternehmen vorwärtsbringen? Die aktuelle Pandemie hat die Geschwindigkeit, mit der diese Fragestellung beantwortet werden muss, nochmals beschleunigt.

Das bedeutet für die SAP-Strategie: Ich muss abgleichen, was sie dazu beiträgt diese Frage zu beantworten. Die konkrete Antwort muss aber jedes Unternehmen für sich selbst finden.

Was hat sich jedoch in den letzten Jahren geändert? SAP nutzt offene Standards. Dadurch ergeben sich zahlreiche Optionen, SAP-Lösungen mit anderen Lösungen zu kombinieren. Einerseits habe ich dadurch die Qual der Wahl, andererseits aber auch mehr Freiheitsgrade, um die optimale Gesamtstrategie zu finden. Ich kann so zum Beispiel das Microsoft Portfolio mit einbringen. Natürlich war eine Integration der beiden Welten auch früher möglich. Die aktuelle Ausgangssituation, wie die Verfügbarkeit von Blueprints für die Kombination der beiden Welten, unterstützt mich allerdings nun stärker und zeigt mir neue Wege für meine Gesamtstrategie mit SAP auf.

 

Vielen Dank für das Gespräch.

Die Fragen stellte Helge Sanden, Chefredakteur des IT-Onlinemagazins.

 

Dieses Thema wird bei der IT-Onlinekonferenz „SAP und Azure“ am 1. Oktober 2020 vertieft: Dr. Christian Lechner zeigt anhand greifbarer Use-Cases, wie SAP-Kunden SAP- und Microsoft-Lösungen kombinieren und so Prozesse neugestalten.

Hier registrieren … | 01.10. | 15:30 Uhr (oder später als Aufzeichnung)

 

Sie können diesen und alle Beiträge live oder als Aufzeichnung verfolgen und eigene Fragen an die Experten stellen. Zum Programm der IT-Onlinekonferenz „SAP und Azure“:

SAP-und-Azure-ITOK20

 

 

 

 

 

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