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Spielregeln der Transformation für Konsumgüter und Handel

Was heißt Digitalisierung? Wie läuft die Transformation in der Konsumgüterindustrie und im Handel ab? Welche Auswirkungen haben die vielfältigen Veränderungen auf die jeweiligen Organisationen? SAP, IFH Köln und IT-Onlinemagazin veranstalten am 6. Oktober 2021 die „Zukunftswerkstatt Handel und Konsumgüterindustrie“: Im C-Level-Kreis sollen Erfahrungen ausgetauscht und Spielregeln der Transformation erarbeitet werden.

Im Vorfeld der Veranstaltung fragte ich Sabrina Mertens (Director E-Commerce bei BabyOne), Thomas Henzler (CIO bei Piller Blowers & Compressors und DSAG-Vorstand), Matthias Assmann (CIO bei ElectronicPartner) und Matthias Schmitt (IT Strategy & Portfolio Manager Corporate Technology bei Zalando) nach ihren Beobachtungen und Meinungen.

 

Was bedeutet Digitalisierung für Sie … und für den Handel und die Konsumgüterindustrie?

 

Thomas Henzler (Piller): Mehr digitale Touchpoints für Kundennähe, Transparenz, Preis- und Lieferdruck, Kontext- und Personabezogenes Marketing, Vernetzung mit Kunden und Partnern, neue Services, z.B. Personalisierung von Produkten, mieten anstatt kaufen, stärkere Integration in digitale Ökosysteme, Verknüpfung von physikalischen Produkten mit digitalen Services, steigende gesetzliche Anforderungen (Lieferkettengesetz, Nachhaltigkeit etc.), um nur einige Aspekte zu nennen.

Sabrina_MertensSabrina Mertens (BabyOne): Digitalisierung ist erstmal ein Schlagwort, das völlig unterschiedlich definiert und ausgelegt werden kann. Grundsätzlich unterscheiden möchte ich zwischen der Technologie- und der Business- bzw. Kundenperspektive.

Technologie ist das Fundament, der Enabler für zukunftsfähige Businessmodelle. Im traditionellen Handel und eben auch bei BabyOne ist die Systemlandschaft über viele Jahre gewachsen. Neue Systeme wurden angebaut, bestehende Systeme adaptiert. Technologien bieten viele neue Möglichkeiten, bestehende Prozesse deutlich effizienter zu gestalten oder neue (digitale) Geschäftsmodelle zu entwickeln.

Die Herausforderungen resultieren dabei aus einer zunehmenden Komplexität, verändertem Knowhow- und Ressourcenbedarf sowie – nicht zuletzt – der Notwendigkeit, vom Kunden her zu denken. Es reicht längst nicht mehr aus Prozesse schlichtweg zu digitalisieren. Prozesse und Systeme, die nicht auf den Kundennutzen einzahlen, haben keine Daseinsberechtigung. Frei nach der These “Wenn Sie einen Scheißprozess digitalisieren, dann haben Sie einen scheiß digitalen Prozess”, die Thorsten Dirks, CEO von Telefónica Deutschland, zugeschrieben wird.

Digitalisierung bedeutet für den Handel aus Businessperspektive aber auch, dass Kunden über viele neue digitale Wege erreicht können, wollen und mithin auch müssen. War einst der Fachmarkt das Zentrum unseres Geschäfts bei BabyOne, sind es heute diverse Kommunikations- und Vertriebskanäle, die wir orchestrieren und vernetzt betrachten. Auch hieraus resultieren neue Herausforderungen, die im Grundsatz nicht von den oben genannten abweichen.

Alles in allem bietet die Digitalisierung für uns eine Menge Chancen, unser Business nach vorne zu bringen und zukunftsfähig zu gestalten. Wir werden schneller, effektiver, kundenorientierter. Die dafür notwendigen Investitionen und Veränderungen der Organisation sind jedoch enorm und erfordern konsequentes und mutiges Handeln.

Matthias Assmann (ElectronicPartner): Nun, für mich bedeutet Digitalisierung, dass ich immer und überall arbeiten kann und für meine Kollegen da bin. Für uns als Händler muss ich den Blickwinkel natürlich erweitern. Hier geht es in erster Linie um unsere Kunden und Lieferanten. Digitalisierung bedeutet Medienbrüche zu beheben und Prozesse komplett neu zu denken. Das bietet enorme Chancen für das Business.

Matthias Schmitt (Zalando): Bei Zalando sind wir in der glücklichen Lage, dass Digitalisierung keine Frage ist, sondern ein fester Bestandteil unserer Unternehmens-DNA. Zalando ist in diesem Sinne nicht nur ein “Fashion” Online-Store, sondern ein Tech-Unternehmen.

Da wir aus dem E-Commerce kommen und uns in anderen Bereichen, wie Connected-Retail, Plattform-Business für Partnerfirmen, Brick&Mortar oder Shopping-Club, erweitern, fließen die Erfahrungen aus den digitalen Bereichen damit automatisch in die traditionellen Retail-Geschäftsmodelle ein. Für den Handel und die Konsumgüterindustrie sehe ich viele Möglichkeiten, vom Beschleuniger hin zum Enabler für neue Geschäftsmodelle.

 

Welche Erfahrungen sammeln Sie bei der Transformation, beispielsweise von Prozessen, Technologien, Märkten oder Geschäftsmodellen?

 

Matthias Assmann (ElectronicPartner): Wir stellen fest, dass anderswo auch nur mit Wasser gekocht wird. Viele Partner sind mit der Digitalen Transformation beschäftigt, oft müssen jedoch zuerst Hausaufgaben erledigt werden und Grundlagen geschaffen werden.

Natürlich hat Corona das beschleunigt, aber die Kapazitäten sind im Handel oft begrenzt. Die Veränderung der Geschäftsmodelle, beispielsweise durch neue Kanäle zu Kunden, ist ein spannendes Thema. Aber auch hier muss man zunächst überlegen, was ist der Business-Value für uns und der Nutzen für den Kunden.

Matthias_SchmittMatthias Schmitt (Zalando): Ich denke, wir stehen hier vor denselben Herausforderungen, wie jedes andere Unternehmen. Technologie ist nur ein Teil in der gesamten Transformation. IT nimmt dabei verschiedene Rollen ein, manchmal als Enabler, manchmal als Beschleuniger, manchmal ein Game-Changer.

Dennoch ist es nie die IT alleine, die Transformation vollbringt. IT kann diese anstoßen und ermöglichen, aber ohne Fachbereiche nie wirklich vollständig vollenden. Die Faktoren Unternehmenskultur, Change-Management und vor allem Menschen spielen dabei eine viel größere Rolle als es teilweise von IT-Beratern oder IT-Fachpresse dargestellt wird.

Eine wirkliche Transformation — im Sinne einer größeren Veränderung — ist trotz aller Fortschritte in der IT, ein aufwändiges, nicht zu unterschätzendes Unterfangen.

Sabrina Mertens (BabyOne): Auch der Begriff der Transformation ist nicht klar definiert. Wenn wir bei BabyOne von Transformation sprechen, meinen wir sehr unterschiedliche Themenfelder. Über allem steht eine grundlegende Veränderung des Geschäftsmodells und der Organisation von einem stationär geprägten Händler — hin zu einem Omnichannel-Player mit starkem Kundenfokus, datenbasiertem Handeln und einer modernen Organisation und Führungskultur.

Wir haben uns auf den Weg gemacht und enormes Tempo aufgenommen:

  • Wir arbeiten beispielsweise intensiv an der Prüfung unserer Technologien und der Systemlandschaft. Jeder Stein wird umgedreht, jedes System auf Zukunftsfähigkeit geprüft. Die Zusammenhänge sind komplex, Investitionen hoch und die Entscheidungen müssen gut vorbereitet, aber gleichzeitig mit einem gewissen Tempo getroffen werden.
  • Wir verändern die Organisation zum Teil fundamental. Anfang des Jahres wurde beispielsweise der Generationenwechsel in der BabyOne- Geschäftsführung vollzogen. Dr. Anna Weber und Dr. Jan Weischer haben diese Rolle von ihren Eltern übernommen. Gleichzeitig stärken wir unsere Leadership deutlich und integrieren viele neue Talente in unsere Teams. Das geht selbstverständlich nicht geräuschlos vonstatten und stellt eine Organisation vor große Herausforderungen. Offenheit, Austausch, Vernetzung, Selbstverantwortung – all das sind Soft Skills und Kompetenzen, die wir in unseren Teams stärken müssen, um den Change meistern zu können.
  • Ein dritter Aspekt bezieht sich auf die Vernetzung unserer über 100 stationären Fachmärkte, die zu rund 70 Prozent von Franchisenehmern geführt werden, mit unserem Online-Shop und unseren digitalen Marketingkanälen. Seit Anfang 2020 haben wir alle Märkte über unser Ship-from-Store-Konzept an den Online-Shop angebunden – ein wesentliches Fundament unserer Omnichannel-Strategie. Wir haben aber auch in diesem Bereich eine volle Roadmap und fordern damit nicht nur die Teams in unserer Franchisezentrale, sondern auch die Mitarbeiter auf den Flächen heraus. Entscheidend sind eine saubere, proaktive Kommunikation, Begeisterung und Befähigung der Mitarbeiter und eine kontinuierliche Optimierung der Prozesse.

thomas-henzlerThomas Henzler (Piller): Transformation scheitert aus meiner Sicht noch häufig an den Abteilungsgrenzen in den Unternehmen. Über lange Jahre aufgebaute Silos, lieb gewonnene Techniken und Arbeitsweisen werden nur ungern wieder hergegeben: Diskussionen für neue Themen enden häufig in einer Rechtfertigungsdiskussion oder scheitern an einem nicht genau darstellbaren Business-Case oder auch an fehlender Unterstützung durch Schlüsselpositionen.

Transformation erfordert Mut und Intelligenz. Eine digitale Transformation bedeutet für mich viel mehr Vernetzung auf allen Ebenen. Dazu zählen die Themen Prozesse, Technologie, Märkte, Partner etc. Viele der noch jungen und sehr erfolgreichen Technologieunternehmen oder auch Commerce-Plattformen sind damit groß und erfolgreich geworden.

 

Welche Auswirkungen hat die Transformation auf Ihre Organisation — und wie kommen Sie dort mit den Veränderungen voran?

 

Thomas Henzler (Piller): Als IT-Organisation sehen wir uns viel mehr mit fachlichen bzw. inhaltlichen Themen konfrontiert als mit der Technik an sich. Das Aufbrechen der Silos zwischen IT und Business und den Silos innerhalb des Business erfordern neue Arbeitsweisen und Ansätze, um die Ideen des Business entsprechend aufzunehmen, diese zu verstehen und am Ende auch gemeinsam erfolgreich umzusetzen.

Dabei spielt das Vermitteln von Wissen und auch Transparenz eine entscheidende Rolle. Nicht zuletzt für die Akzeptanz von Lösungen im Unternehmen. Ansätze wie beispielsweise Scrum — in Verbindung mit Tools wie Jira — haben uns sehr weitergeholfen. Es ist jedoch eine Herausforderung dieses Mindset auch in die Organisation zu tragen, damit am Ende Innovation auch wirklich entstehen kann.

Matthias Assmann (ElectronicPartner): Wie haben mit „RISE with SAP“ früh angefangen, die Voraussetzungen zu schaffen. Themen wie mobiles Arbeiten und hybride Cloud-Modelle nutzen wir seit Jahren. Unsere Roadmap fokussiert auf die nächsten drei bis fünf Jahre und wir sind hier — Stand heute — sehr gut unterwegs.

Natürlich kann man heute nicht sagen, wie sich die Disruption bei Technologien und Gesellschaft morgen auswirken wird. Da muss man eine gute Balance zwischen Planwirtschaft und Agilität hinbekommen.

Matthias Schmitt (Zalando): Ich würde die Frage für Zalando gerne etwas umformulieren: “Wie schaffen wir es, den vielen Transformationen eine Governance zu geben, in der wir diese effizient zum Erfolg führen?” Dies stellt für uns mit einer der größeren Herausforderungen dar.

Agile Projektmethoden und dezentrale IT-Bereiche sind gut für Geschwindigkeit und schnellen Fortschritt, bedürfen aber Spielregeln und einer Governance, um sich nicht gegenseitig negativ zu beeinflussen.

Hier Teil 2 des Interviews weiterlesen …

 

Die vier Expertinnen und Experten, sowie weitere namhafte Peers aus Handel und Konsumgüterindustrie, können Sie zum Erfahrungsaustausch treffen:

Zukunftswerkstatt Handel und Konsumgüterindustrie:
Spielregeln der Transformation

6. Oktober 2021 | Online-Event | SAP, IFH Köln und IT-Onlinemagazin
Zur Agenda und Anmeldung …

 

Zukunftswerkstatt-2021

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