
Künstliche Intelligenz durchdringt das SAP-Ökosystem mit einer Geschwindigkeit, die Beratungshäuser und Unternehmen gleichermaßen herausfordert. Dadurch entstehen nicht nur neue Funktionen in etablierten Rollen, sondern völlig neue Berufsbilder, deren Existenz ausschließlich auf KI-Technologien beruht. Für die SAP-Beratung bedeutet das: KI schafft Karrierepfade, die noch vor drei Jahren gar nicht existierten. CIOs, SAP-Partnern und Personalverantwortlichen stellt sich damit heute die strategische Frage, welche Kompetenzen künftig für den Projekterfolg zählen. Antworten darauf liefert Julia Winter von der dr. Fuchs Personalberatung in einem Gastbeitrag für das IT-Onlinemagazin.
KI-native versus KI-gestützte Rollen
Der SAP-Arbeitsmarkt differenziert sich zunehmend in zwei Kategorien, deren Verständnis für Recruiting und Karriereplanung essenziell ist. Zum einen sind dies KI-native Rollen. Sie existieren ausschließlich aufgrund von KI-Technologien und erfordern spezialisiertes Wissen über Agentenframeworks, Vektordatenbanken sowie automatisierte Workflows. Daraus entstehen Positionen – etwa AI Solution Architects oder Generative AI Engineers – die ohne die aktuelle KI-Welle nicht entstanden wären.
Zum anderen gibt es KI-gestützte Rollen, als Weiterentwicklung der klassischen SAP-Beratung. Beispielsweise bleiben Finance-, Logistik- oder HR-Berater fachlich verankert, erweitern ihr Instrumentarium aber um KI-Tools wie Joule-Prompts oder KI-basiertes Talent-Matching.
Wichtig ist hier: Diese Unterscheidung bestimmt Gehaltsbänder, Weiterbildungspfade und die Frage, ob Unternehmen intern qualifizieren oder extern rekrutieren müssen.
Der neue technologische Unterbau
Mit agentischer KI, Vektordatenbanken und SAP Build Process Automation verschiebt sich die technologische Basis. Agentische KI ermöglicht Software-Agenten, eigenständig Daten zu analysieren und Entscheidungen über Modulhorizonte hinweg zu treffen. Vektordatenbanken und Wissensgraphen ersetzen starre Abfragen durch semantische Suchen mit kontextbasierten Antworten. SAP Build Process Automation verbindet Natural Language Design mit Prozessautomatisierung.
Für die Beratung bedeutet das: Reine Konfigurationsexpertise verliert an Wert. Gefragt sind Fachkräfte, die Systeme entwerfen, Abfrageergebnisse validieren und beurteilen können, wo Automatisierung sinnvoll ist – und wo menschliche Kontrolle unverzichtbar bleibt.
Was automatisiert wird – und was menschlich bleibt
KI übernimmt dagegen repetitive, regelbasierte Aufgaben: Berichterstellung, Testskript-Generierung, Standardkonfigurationen. Und zwar ziemlich erfolgreich: Beratungshäuser berichten von Zeitersparnissen bis zu 40 Prozent bei spezifischen Tätigkeiten. Gleichzeitig bleiben kreative und koordinierende Fähigkeiten zentral: Prozessdesign, Change-Management, strategisches Business-Verständnis, Stakeholder-Management. Diese Kompetenzen erfordern Kontextwissen, Verhandlungsgeschick und Urteilsvermögen.
Karrieresicherheit entsteht also durch die Kombination nicht automatisierbarer Fähigkeiten mit KI-nativem Know-how. Wer sich dagegen auf rein technische oder funktionale Expertise beschränkt, gerät unter Druck. So ist derzeit zu beobachten, dass KI natürlich Arbeitsplätze ersetzt, auch in der IT. Diese Entwicklung beschleunigt sich gerade massiv und wird kurzfristig Karrierewege neu definieren. Dadurch entsteht, besonders im SAP-Umfeld, eine Generation von Expert:innen, die Technologiekompetenz mit strategischem Denken verbindet – aus unserer Sicht ist das die neue Währung am Arbeitsmarkt.
Recruiting-Kriterien verändern sich: Nachweise schlagen Zertifikate
Denn schon jetzt ändern Beratungshäuser ihre Auswahlkriterien fundamental. Klassische Modulzertifizierungen verlieren an Gewicht – entscheidend ist praktische Projekterfahrung mit messbaren Ergebnissen. Gesucht werden Profile, die funktionale Expertise mit technischer Umsetzungskompetenz und Governance-Verständnis verbinden. Isolierte Fachkenntnis reicht nicht mehr. Kandidaten punkten mit konkreten Nachweisen: implementierte KI-Agenten, getestete Retrieval-Pipelines, dokumentierte Prozessverbesserungen. GitHub-Repositories und Case Studies ersetzen Zertifikatskataloge.
Governance und EU-KI-Gesetz: Compliance als Karrieretreiber
Zugleich verschärft das EU-KI-Gesetz seit August 2025 die Anforderungen an KI-Systeme in sensiblen Bereichen. SAP-Projekte in Personal, Finanzen und Beschaffung fallen unter diese Hochrisiko-Kategorien. Bias-Prüfungen, Erklärbarkeit und Dokumentation werden dementsprechend regulatorische Mindeststandards. Daraus entstehen neue Spezialisierungen: KI-Programmmanager koordinieren Compliance-Anforderungen, Governance-Leads verantworten technische Dokumentation und Auditierbarkeit. Fachkräfte mit Governance-Expertise werden entsprechend nachgefragt.
SAP-Karriere: KI als nächste Evolutionsstufe
Für SAP-Fachkräfte gilt also: Wer KI-Technologien versteht, Ergebnisse messen kann und Governance berücksichtigt, sichert sich die besten Perspektiven. Die Zukunft liegt nicht in der Spezialisierung auf einzelne Tools, sondern im Verständnis, wie KI, Daten und Geschäftsprozesse gemeinsam Wert schaffen.
Für die Beratungshäuser wiederum bedeutet das: Talente mit KI-nativem Know-how sind knapp – langfristig erfolgreicher ist der Aufbau interner Expertise durch gezielte Qualifizierung bestehender Teams.
Aus welcher Perspektive man es auch betrachten mag: KI ist somit sicherlich kein Risiko für SAP-Karrieren, sondern ganz im Gegenteil Treiber der nächsten Entwicklungsstufe.
Diese Rollen liefern messbare Ergebnisse wie verkürzte Prozesszeiten, höhere Datenqualität, reduzierte Fehlerquoten.
- AI Solution Architect – Definiert Integrations- und Governance-Frameworks, verbindet SAP-Landschaften mit KI-Services.
- Generative AI Engineer – Entwickelt Erweiterungen, schreibt Prompt-Logik und testet Retrieval-Pipelines.
- Data Engineer für KI – Spezialisiert auf Vektormodellierung und Wissensgraphen, sichert Datenqualität für KI-Anwendungen.
- Berater für Dokumenten-KI – Automatisiert Rechnungs- und Belegverarbeitung, reduziert manuelle Erfassung.
- Build-Process-Automation-Entwickler – Orchestriert manuelle und KI-gesteuerte Workflows.
- Integrationsingenieur mit KI-Know-how – Gewährleistet intelligente API-Flows zwischen SAP und Drittsystemen.
- Analyse- und Planungsberater – Nutzt prädiktive Planung und Natural Language Querying für Self-Service-Analysen.
- HR-Spezialist mit KI-Kompetenz – Implementiert Skills-basiertes Recruiting und automatisierte Karriereempfehlungen mit SuccessFactors.
Über die Autorin
Julia Winter ist Recruiting Managerin SAP bei der dr. Fuchs Personalberatung. Nach Abschluss ihres Studiums war sie für SAP tätig und wechselte 2015 zu dr. Fuchs, um das SAP-Geschäft aus der Arbeitsmarktsicht kennenzulernen. Seitdem berät und betreut sie namhafte Unternehmen und Kandidat:innen. Sie handelt stets aus Überzeugung und vermittelt bestmöglich zwischen Kunden und Kandidaten.
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