„Wenn Sie noch nicht mit der S/4HANA-Roadmap-Planung begonnen haben, fangen Sie jetzt an“, so war der eindringliche Rat von Edwin Verkaik, S/4HANA Program Manager IT beim Landmaschinenhersteller CLAAS in einem unserer Gespräche. Wir haben mittlerweile rund 200 Erfahrungsberichte zur S/4HANA-Transformation bekommen und ein „Kondensat“ der immer wieder genannten Aspekte zusammengestellt.
Die Transition ist zweifellos ein komplexes Projekt, insbesondere wenn die SAP-Landschaft über die letzten Jahrzehnte gewachsen ist und viele Modifikationen und Anpassungen vorgenommen worden. Auf der anderen Seite stellt die Transition aber auch kein Hexenwerk dar, wenn man das Projekt ernst genug nimmt und ordentlich vorbereitet, so lautet oft das Fazit von SAP-Verantwortlichen.
Eins ist klar: Ohne klare und faktenbasierte Roadmap sollte kein Migrationsvorhaben starten. Und von den Erfahrungen anderer Unternehmen kann man lernen. Viele SAP-Partner haben standardisierte und vielfach erprobte Migrationsvorgehen.
Change-Anteil nicht unterschätzen!
Oft genannter Punkt: „Wir haben die Change-Management-Aufwände im Projekt massiv unterschätzt.“ Bei einer derart umwälzenden Veränderung ist es jedoch unumgänglich, jeden einzelnen Beschäftigten mitzunehmen.
Je „grüner“ die Transformationsstrategie ist, desto stärker ist in der Regel die Veränderung — an Prozessen, aber auch an der UI. Alle Beteiligten müssen spätestens zu Go-Live das System kennen und die veränderten Aufgaben, die auf sie zukommen. Klingt vielleicht trivial, wird trotzdem gerne vergessen.
Frühzeitiges Enablement und Schulungen
Mitarbeitende aus IT und Fachbereichen müssen einerseits motiviert sein, am Change und am SAP-Projekt mitzuarbeiten und andererseits auch dazu in der Lage sein. Das funktioniert über Enablement und Schulungen — und Freistellung wichtiger Mitarbeitenden für das Projekt. Die fehlende Verfügbarkeit interner Fachleute stellt eine der größten Herausforderungen für den Projekterfolg dar.
Eine frühzeitige Analyse des Projektumfangs ist maßgeblich, um fundiert entscheidend zu können, wofür man die verfügbaren Entwicklerressourcen einsetzen soll. Die Ergebnisse sind dann zeitnah in die Organisation zu kommunizieren. So lernen IT und Fachbereiche die Auswirkungen kennen, verstehen und für ihre Planung zu berücksichtigen.
Stammdatenqualität wird überschätzt
Immer wieder geschieht es, dass Unternehmen die eigene Stammdatenqualität überschätzen. Dabei sind konsistente und aktuelle Daten die Bedingung für ein erfolgreiches S/4HANA-Projekt. Eine gelebte Daten-Governance und Stammdatentools helfen dabei, bisherige Materialanlage- und Pflegeprozesse zu optimieren sowie systemgestützt, abteilungsübergreifend und voll integriert in SAP S/4HANA abzubilden. Qualitätsverbessernde Maßnahmen werden von weitsichtigen Unternehmen im Vorfeld des S/4HANA-Projekts durchgeführt, um einerseits die Projektgrundlagen zu legen und andererseits die Komplexität zu reduzieren.
Eine weitere wichtige Frage lautet: Welche Daten sollen archiviert und was soll mit nach S/4HANA transferiert werden? Ein Vorprojekt, in dem Daten- und Dokumentenprozesse sowie zentrale Schnittstellen unter die Lupe genommen werden, kann den Einstieg in die S/4HANA- und Cloud-Transformation erleichtern. Daten in S/4HANA kosten bares Geld.
Klarheit über die zukünftigen Prozesse
Zurück zum Standard, so lautet das neue Paradigma für die Prozesse. Es zeichnet sich ab, dass SAP Signavio ein Schlüssel sein kann, um automatisiert Transparenz über die jetzigen gelebten Prozesse zu bekommen, Unterschiede in Organisationseinheiten zu erkennen und auch Potenziale für Prozessoptimierungen und zur Standardisierung zu identifizieren und umzusetzen.
In den letzten IT-Onlinekonferenzen war das Interesse an SAP Signavio Erfahrungsberichten überdurchschnittlich hoch.
Testaufwände werden unterschätzt
Obligatorisch bei Systemumstellungen dieser Größenordnung – und zugleich eine große Herausforderung – ist das Testmanagement. „Wir haben die Testaufwände im Projekt unterschätzt“, blicken viele CIO auf die S/4HANA-Migration zurück.
Auch hier ist eine zu den Veränderungen passende Planung unabdingbar. Es gilt, rechtzeitig das Business einzubeziehen und User-Anforderungen schon in die Integrationstests einbauen. Das erlaubt frühzeitige Feedbackschleifen an das Projektteam und verhindert böse Überraschungen in der letzten Projektphase.
Einige Unternehmen beginnen mit dem S/4HANA-Projekt mit der Automatisierung von Test-Prozessen. Denn gerade bei einer S/4HANA Migration gibt es ausführliche Testphasen, die sich immer wiederholen und die Release-Frequenz dürfte sich stark erhöhen, wenn man ein Cloud-Offering der SAP nutzen möchte. Durch Automatisierung kann sich dann sehr schnell ein großer Effizienzhebel öffnen.
SAP-Security sofort berücksichtigen
Weitere Fallstricke lauern bei der Sicherheit: Wer Security und Berechtigungen nicht von vornherein in den Projekt-Scope setzt, kann sich auf Terminverschiebungen und hohe Mehraufwände einstellen. Wir kennen Projekte, deren Go-Live-Termine aus Security-Gründen auf der Zielgeraden gestoppt wurden.
Knowhow-Aufbau zu neuen Technologien
Im S/4HANA-Kosmos sollte man außerdem die Themen SAP Business Technology Platform und Cloud nicht vernachlässigen, weil sie deutliche Vorteile liefern können. Empfehlenswert ist es daher laut CIOs, sich in diesem Bereich so früh wie möglich Wissen aufzubauen.
Fazit
Am S/4HANA-Umstieg dürfte jeder CIO wachsen, denn die Liste an Lessons Learned und Fehleinschätzungen, zu den es kommen kann, ist lang. Bei der 15. IT-Onlinekonferenz sprechen wir sie an, im Dialog mit IT-Führungskräfte namhafter Unternehmen verschiedenster Branchen.
CIO und Führungskräfte von Aachener Grundvermögen, Autobahn Tank & Rast, Covestro, ENERCON, FRoSTA, HERMA, Koehler Paper, Kyndryl, Messe Düsseldorf, Moravia, Österreichische Sozialversicherungsträger, Shimadzu Europa, TECE, uvex group, Veolia, VHV Versicherungen, Wilo Group berichten über ihre Erfahrungen.
Zehn Empfehlungen von und für CIO zum S/4HANA-Projekt
- Ohne faktenbasierte Roadmap kein S/4HANA-Projekt starten
- Komplexe SAP-Systeme: Transparenz bekommen und konsolidieren
- Change-Management Aufwände im Projekt nicht unterschätzen
- SAP Signavio kann Schlüssel für Prozessoptimierungen sein
- Eigene Stammdatenqualität nicht überschätzen
- Kostensensible Archivierungsstrategie verfolgen
- Test-Aufwände nicht unterschätzen
- Security und Berechtigungen gehören in initialen Projekt-Scope
- Wissensaufbau zu neueren Technologien wie SAP BTP und SAP Cloud
- Kein S/4HANA-Projekt ohne Schulungen und Enablement