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Customizing des SAP FI SL Special Ledger im Insolvenzfall

Ein börsennotiertes Unternehmen entschied sich in der Insolvenz für die Einrichtung eines SAP FI SL (Special Ledgers) zur Abbildung der Anforderungen an das Rechnungswesen. Lesen Sie im zweiten Teil des Gastbeitrags und Praxisberichts von Johannes Kirchhoff und Michael Wahl, wie das Customizing realisiert wurde und welche Erfahrungen die beiden SAP-Experten gemacht haben:

Das Customizing im FI SL

Die Tabellengruppe: Zum Zweck der Konzernrechnungslegung und dem Reporting wurde bereits eine Tabellengruppe erstellt. Die Kontierungsmerkmale aus dem Hauptbuch wurden hier im wesentlichem um Merkmale für die Konzernrechnungslegung, wie Bewegungsart, Partnergesellschaft, Konzernkonto, Profitcenter, erweitert. Diese Tabellengruppe wurde als Grundlage für die Datenhaltung des Insolvenzledgers gewählt.

Das Ledger: Für die Insolvenzphase wurde ein eigenes Ledger definiert. Das Ledger kennzeichnet den gesamten Datenbestand der Insolvenzphase.

Die Vorgänge: Für die Durchbuchung in das Insolvenzledger wurden alle Vorgänge ausgewählt, die auch für die Durchbuchung in das Hauptbuch verwendet werden. Zusätzlich wurde an die Vorgänge die Bedingung geknüpft, dass eine Durchbuchung nur für den Insolvenzzeitraum erfolgen soll (taggenaue Abgrenzung in der Ledgerselektion der Vorgänge).

Die Zuordnung der Buchungskreise: Für die Durchbuchung der Buchungskreise in das Insolvenzledger wurden nicht nur die Buchungskreise des insolventen Unternehmens ausgewählt. Da in der Insolvenzphase Konzernabschlüsse erstellt werden, müssen alle Gesellschaften und damit alle Buchungskreise, die zum Konsolidierungskreis gehören, ebenfalls in das Insolvenzledger buchen, da der Konzernabschluss aus der Sicht der Insolvenzperioden erfolgt. Bei der Zuordnung der Buchungskreise zum Insolvenzledger ist zu beachten, dass hier die Zuordnung der Geschäftsjahresvariante für den Insolvenzzeitraum erfolgt.

Die Feldübertragung: Die wesentlichen Festlegungen für die Zuordnung der Sender- und Empfangsfelder für die Durchbuchung in das Insolvenzledger wurden bereits bei der Einrichtung des KVL getroffen.

 

Weitere Entwicklungen

Damit war das Customizing für FI SL abgeschlossen. Für den Aufbau des Datenbestandes wurde ein eigenes Programm erstellt, das die bilanziellen Vortragswerte der Perioden vor der Insolvenz als Anfangsbestand in den Insolvenzledger initial übernimmt, bzw. solange die Abschlüsse der Vorperioden der Insolvenz nicht final sind, nachbucht.

Für die Auswertung der Anlagen wurde für die Insolvenzperioden ein spezifischer Anlagenspiegel erstellt.

 

Die Praxis

Der Aufbau des Insolvenzledgers erfolgte in einer buchungsfreien Zeit, unter Beteiligung der Kollegen aus der IT und aus dem Rechnungswesen. Im ersten Schritt wurden mit dem o.g. Vortragsprogramm die Vorträge für das Insolvenzledger aufgebaut. Die Kollegen des Rechnungswesens stimmten die bilanziellen Werte ab und gaben im nächsten Schritt die Nachbuchung von Belegen, die schon in die Insolvenzphase fielen, frei. Nach der Verbuchung dieser Belege und der finalen Abstimmung des Ledgerbestandes wurde das Insolvenzledger für den transaktionalen Regelbetrieb freigegeben. Der Gesamtaufwand für die Erstellung des Ledgers lag ohne Tests und Vorbereitung der Jobs bei etwa 4 Stunden. Eingerichtet und abgestimmt wurden rund 400 Buchungskreise.

Der Regelbetrieb verläuft in der Insolvenzphase wie gehabt. Der Prozessablauf wird durch die Verbuchung in das Insolvenzledger nicht verändert. Die Buchungen werden sowohl im Hauptbuch als auch im Insolvenzledger zum Zeitpunkt der Belegverarbeitung verbucht.

Dabei muss natürlich die revisionssichere Zuordnung von einzelnen Belegen aus dem SAP FI zu den Buchungen des FI SL garantiert werden.

 

Auswertungen in der Insolvenzphase

Das Reporting für die Konzernberichterstattung aus dem R/3 während der Insolvenzphase wird auf das Insolvenzledger umgeschwenkt. Das passiert automatisch beim Laden der Daten nach SEM BCS.

Die Auswertungen in SAP R/3 können ohne Restriktionen mit dem Bilanzschreiber RFBILA10 erstellt werden. Es ist sowohl eine Abschlusserstellung nach HGB oder / und IFRS möglich. Der Bilanzschreiber RFBILA10 greift anders als RFBILA00 auch auf einzelne Ledger zu und ermöglicht deren bilanzielle Auswertung.

Erweiterte Auswertungen lassen dann z.B. auf der Basis des Report Writers / Report Painters erstellen. Diese Reportingtools sind integraler Bestandteil von FI SL.

Nach Abschluss der Insolvenzphase wird ein weiteres Rumpfgeschäftsjahr bis zum Übergang in das normale Geschäftsjahr eingeführt und in einem gesonderten Ledger erfasst. Im Anschluss kann die parallel gebuchte „alte Welt“ fortgeführt werden.

 

Fazit

Durch die Einrichtung des Insolvenzledgers im FI SL konnte kurzfristig ein, auf dem Insolvenzfall adaptiertes Rechnungswesensumfeld, eingerichtet werden. In diesem Umfeld werden alle Vorgänge parallel im vorhandenen Hauptbuch, als auch gemäß dem Insolvenzrecht, im Insolvenzledger dargestellt. Die Einrichtung des Insolvenzledgers ist mit vergleichsweise geringem Einrichtungsaufwand verbunden.

Vorhandene prozessuale Abläufe müssen gar nicht oder nur geringfügig angepasst werden. Im Unternehmensreporting können Auswertungen auf der Basis des „alten“ fortgeführten Rechnungswesens oder / und nach Insolvenzrecht erstellt werden. Das interne Rechnungswesen kann ohne Änderungen – wie gehabt – fortgeführt werden, da die Geschäftsjahresidentität zwischen den Buchungskreisen der Hautbuchhaltung und den Kostenrechnungskreisen des Controllings weiterhin Bestand hat. Wird das Unternehmen fortgeführt, ist eine Überleitung in die „alte Welt“ einfach möglich.

 

Bewertung der Nutzung des FI SL als Insolvenzledger

Wie in der Fallstudie dargestellt, ist das FI SL ein flexibles Modul im SAP, das den Unternehmen größtmögliche Freiheiten bei der Umsetzung eigener, unternehmensspezifischer Anforderungen bietet. Dabei ist das FI SL stets in das OLTP-Geschehen aller SAP-Prozesse eingebunden. Oder kurz gesagt: Der Daten- und Informationsstand der eigenen FI SL Lösung ist stets aktuell.

Im gesamten Unternehmen wird das FI SL für das Reporting in das Konzernrechnungswesen unter SEM BCS eingesetzt. Dabei wird über einen virtuellen Cube direkt aus dem SAP R/3 in das Konsolidierungstool SEM BCS gemeldet. Hinzugekommen ist aktuell die Abbildung des Insolvenzrechnungswesens in einen eigenen Insolvenzledger.

Darüber hinaus sind beispielsweise folgende Lösungen durch den Einsatz von FI SL denkbar:

  • Eigenes angepasstes Online-Reporting über SAP Modulgrenzen,
  • Feeder System für die Erstellung eines Teilkonzernabschlusses mit abweichendem Geschäftsjahr,
  • Parallele Darstellung unterschiedlicher Bewertungsansätze,
  • Zusammenführung verschiedener Geschäftsjahresvarianten zu einer Variante,
  • Individuelle, unternehmensspezifische Lösungen (z.B. Versicherungen: versicherungstechnisches Nebenbuch),
  • u.v.m.

 

Zum Teil 1 dieser Fallstudie: Nutzung von SAP ERP FI in der Insolvenz

 

Johannes-Kirchhoff-Foto-Drathen-KölnJohannes Kirchhoff ist Seniorberater für das Rechnungswesen (internationale Rechnungslegung) und das Konzernrechnungswesen und Spezialist für spieltheoretisch basiertes Risikomanagement.

Er ist Geschäftsführer der f4S GmbH, Köln.

(Foto: Foto Drathen Köln)

Michael Wahl ist Seniorberater für das Rechnungswesen insbesondere Konzernrechnungswesen und Reporting sowie Spezialist für prüfungsnahe Aufgaben.

 

 

 

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