Unternehmen der Fertigungsindustrie stehen vor einer Reihe von Veränderungen, was die SAP-Produkte für Produktion und Logistik angeht. Mit der S/4HANA Public Cloud will SAP ihnen neue Chancen erschließen und hat gleichzeitig große Pläne für das Supply Chain Management der Zukunft.
2027 – das magische Datum des Wartungsendes für die klassischen SAP-ECC-Systeme wird in der Fachöffentlichkeit gebetsmühlenartig wiederholt. Für Unternehmen, die mit den SAP-Lösungen für Produktion und Logistik arbeiten, hat die Jahreszahl sogar eine doppelte Bedeutung, denn auch das im Logistikumfeld tausendfach eingesetzte SAP Warehouse Management (SAP WM) läuft dann aus der Maintenance. Zusammen mit dem Transportmodul TRA ist WM Teil des SAP Logistics Execution System (LES).
Drei Jahre Aufschub gibt es hingegen noch einmal für die wichtigen Fertigungslösungen SAP Manufacturing Execution Systems (SAP MES) und SAP Manufacturing Integration and Intelligence (SAP MII). Deren Wartung läuft zum jetzigen Zeitpunkt bis Ende 2030.
Intralogistik: SAP EWM löst WM ab
SAP selbst empfiehlt, das neue Embedded EWM zu verwenden. Es gehört bereits seit Release 1610 standardmäßig zum S/4HANA-Funktionsumfang und beinhaltet Value Added Services, Materialflussrechner und weitere neue Funktionen. Betreiben lässt sich EWM als Basic- oder Advanced-Variante auf der einen Seite (Unterscheidungen im Funktionsumfang) sowie zentral (embedded) oder dezentral (by-side) auf der anderen.
WM-Anwenderunternehmen müssen sich nun überlegen, wie ihre künftige Intralogistiklösung aussehen soll. Dies dürfte stark von den konkreten Produktionsweisen vor Ort abhängen. Die dezentrale Lösung ermöglicht eine bessere Lastverteilung, was sich bei hohen Lagervolumina als Vorteil erweist. Außerdem ist sie unabhängig und es kann weiter kommissioniert und eingelagert werden, auch wenn das zentrale ERP-System – etwa bei Upgrades – ausfällt. Auf der anderen Seite sind einzelne Systeme separat zu warten und zu pflegen, was ein Nachteil gegenüber einem in den S/4HANA-Kern eingebetteten EWM-Modul ist.
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Lager und Transportprozesse im Wandel
„SAP bietet mit EWM und TM zwei umfassende Werkzeuge zur Optimierung der Lager- und Transportprozesse“, sagt Michael Urmann, Business Lead Logistics beim SAP-Beratungshaus T.CON. „Bei unserem Kunden Linhardt gehen wir den Schritt in Richtung Logistik-Automatisierung und sorgen dafür, dass das Unternehmen in Zukunft von effizienteren Abläufen, Kosteneinsparungen, besserer Kundenbetreuung und einer stärkeren Wettbewerbsposition profitiert.“ Der Verpackungshersteller kündigte 2023 an, in den nächsten drei Jahren 100 Millionen Euro in eine nachhaltige Logistik zu investieren. „Das Thema Automatisierung ist hier ein großer Bestandteil. Mit dem ‚Logistikkonzept 2030‘ verfolgen wir dieses Ziel auch bei unseren Mobilitätsprozessen“, so Robert Brückner, Director IT & Digitalization bei der Linhardt Group.
Der Weltmarktführer für Landtechnik Claas hat durch die Migration von SAP WM auf EWM seine Produktionslogistik weltweit an verschiedenen Standorten mit unterschiedlichen Anforderungen optimiert. Um die Rollouts effizient durchzuführen, entwickelten die SAP EWM-Experten von Claas und Langfrist-Partner Logiplus zunächst ein globales EWM Rollout-Template. „Je mehr Standorte von SAP WM auf SAP EWM migriert werden, desto sinnvoller ist ein Rollout-Template“, sagt Thilo Matheis, CEO und Gründer der Logiplus Group. Aus seiner Sicht liegen die Synergieeffekte vor allem in der Abbildung der Kernprozesse und den Lessons Learned – und zwar nicht nur im Lager, sondern vor allem in der Integration nach innen, aber auch nach außen, etwa zu Dienstleistern und Spediteuren.
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Produzierende Unternehmen scheuen die Public Cloud
Wie die künftige Logistiklandschaft eines Unternehmens aussieht, ist eingebettet in dessen allgemeine SAP-IT-Strategie. Nun zeichnet SAP mit dem Wechsel auf S/4HANA den Gang in die Cloud ausdrücklich vor. Deren maximale Ausprägungsstufe hinsichtlich Agilität, Innovation und Transformation ist die SAP S/4HANA Public Cloud. Für Cloud-Lösungen spricht, dass manche SAP-Lösungen on-premises künftig nicht mehr verfügbar sein werden. Außerdem lassen sich kleine Instanzen standardisieren und schneller ausrollen.
Als Gründe dagegen wurden – bezogen auf den Logistikbereich – in der Vergangenheit oft fehlende Funktionen bei Lagerverwaltung, Lagerbereichen und Findung genannt, außerdem der hohe Anteil differenzierender Prozesse und damit verbundenen eine subjektiv größere Abhängigkeit bestehender Abläufe. Deshalb scheuen gerade produzierende Unternehmen den Umstieg auf das Betriebsmodell Public Cloud. Die S/4HANA Private Cloud mit ihrer strukturellen Nähe zur individualisierbaren On-Premises-Umgebung erscheint vielen sicherer. Absolut gesehen spielen jedoch die Cloud-Betriebsmodelle für S/4HANA mit 17 Prozent Anteil nach wie vor eine untergeordnete Rolle laut DSAG-Investitionsreport.
Veraltet oder zukunftsfähig? Prozesse spiegeln die Strategie
Ganz anders sieht das Alexander Greb, Vice President von Westernacher Consulting, der den vermeintlich riskanteren Weg mit einer Reihe von Kunden bereits erfolgreich gegangen ist. „Produzierende Unternehmen tappen oft in eine Falle: Man glaubt, die aktuell verwendeten Prozesse wären unabdingbar – dabei stellt sich oft heraus, dass diese nicht weniger sind als die Strategie von vor 20 Jahren, inklusive der damaligen Einschränkungen der ERP-Technologie“, erklärt er.
Eine Erkenntnis, die ein deutscher Hersteller von Hochleistungsbatteriezellen aus dem Fahrzeug- und Mobilitätssegment bestätigen kann: Das Unternehmen hat seine weit verteilten Produktionsstandorte in ein S/4HANA Public Cloud System eingebunden – und damit seine Produktionslandschaft laut eigener Aussage revolutioniert. Ein Manufacturing Execution System (MES) von Siemens, ein Enterprise Resource Planning (ERP) und ein Product Lifecycle Management (PLM) System wurden dabei vernetzt.
„Die Public Cloud ermöglicht Fertigungsunternehmen, ihre Produktionssysteme und -standorte, ohne die Einschränkungen von On-Premises-Lösungen effizient und grenzenlos zu vernetzen“, ist Franco De Pace, Team Manager Digital Planning & Quality bei Syntax Systems, überzeugt.
Supply Chain Management soll resilienter werden
Geht es um das Supply Chain Management der Zukunft, ist SAPs Vision noch mal eine ganz andere: Unter dem Dach von Manufacturing-X, einer globalen Initiative aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft, zielt SAP darauf ab, die Lieferketten der Industrie zu digitalisieren. Diese Initiative soll durch die Schaffung eines gemeinsamen industriellen Datenökosystems und den Einsatz von SAPs aktuellen Business-Netzwerklösungen die Resilienz der Lieferketten gegenüber Störungen erhöhen. Ziel ist es, einen Datenaustausch innerhalb der Wertschöpfungskette auf Basis gemeinsamer Standards und Regeln zu ermöglichen, auf dessen Grundlage Unternehmen auch eigene Anwendungen entwickeln können. Auch die DSAG begrüßt das Vorhaben von SAP.
Fertigungsindustrie am technologischen Wendepunkt
Das Wartungsende und der Umstieg zu S/4HANA, insbesondere der S/4HANA Public Cloud, läuten bedeutende Veränderungen ein für die Fertigungsindustrie. Chancen für effizientere Abläufe und eine stärkere Wettbewerbsposition erfordern jedoch auch strategische Neubewertungen betrieblicher Prozesse. Die global angelegte Initiative Manufacturing-X ist noch nicht greifbar, die weitere Entwicklung gemeinsamer Standards und Resilienz von Lieferketten dürfte aber hochinteressant sein für produzierende Unternehmen.
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