Indirekte SAP-Nutzung wird ab November 2018 automatisch aufgedeckt

Die indirekte Nutzung und das neue Preismodell der SAP sorgen aktuell für Gesprächsstoff zur SAP-Lizenzierung. Vielen dürfte noch unbekannt sein, dass SAP nach dem nächsten Update ihrer Lizenzvermessungssoftware vollständige Transparenz zur indirekten Nutzung in SAP-Systemen bekommen wird.

Wir fragten Martin Kögel, VP Business Development bei VOQUZ, einem Anbieter für IT-Lösungen zum SAP-Lizenzmanagement, was dahinter steckt und was er SAP-Kunden und SAP-Partnern empfiehlt. Er meint, es wird jetzt Zeit zu handeln.

 

Herr Kögel, bekommt SAP demnächst tatsächlich vollständige Transparenz zur indirekten Nutzung in SAP-Systemen?

Martin Kögel VOQUZMartin Kögel: Nach langen Spekulationen in den letzten Monaten, hat SAP diesen April das neue Whitepaper „SAP ERP Pricing for the Digital Age“ zur indirekten Nutzung herausgebracht. Darin wurden neun Typen von Business-Dokumenten vorgestellt, die zukünftig vermessen werden sollen. Diese Dokumententypen sind dann kostenpflichtig, wenn sie von der USMM Vermessung als „nicht von SAP-Technologie angelegt“ erkannt werden. Und das in schon nicht allzu ferner Zukunft, nämlich ab November 2018!

Die Auditoren von SAP werden ab diesem Zeitpunkt argumentieren, dass jeder Fall von entdeckter indirekter Nutzung entsprechend lizenziert werden muss. Das kann unter Umständen zu hohen Nachzahlungen führen.

Zum einen wird also schon ein gewisser Grad an Transparenz erreicht, da nun etwas mehr Klarheit in Sachen indirekter Nutzung herrscht. Zum anderen führen diese neuen Regelungen aber auch zu Handlungsdruck bei den SAP-Kunden, da sie sich bis November 2018 Klarheit über ihre indirekte Nutzung verschaffen sollten.

Hier endet die Transparenz dann aber auch, denn genaue Preise stehen noch nicht fest. Wenn man in die Vergangenheit schaut, war SAP in der Hinsicht aber noch nie besonders auskunftsfreudig. Die nächsten Monate und vor allem die Reaktionen der Kunden werden zeigen, wie die Geschichte weitergeht.

 

Was bedeutet das für SAP-Anwenderunternehmen?

Die Möglichkeit, automatisch indirekte Nutzung zu vermessen, bringt SAP in eine neue Position: Damit bekommt sie nun im Rahmen der jährlichen Lizenzvermessung automatisch Auskunft über die indirekte Nutzung. Bis dato war dazu ein umfangreiches Audit notwendig. SAP wird durch das Aufdecken von indirekter Nutzung verstärkt versuchen, Kunden zur Vertragsumstellung oder einer S/4HANA-Migration zu überreden.

SAP selbst zeigt im Whitepaper „SAP ERP Pricing for the Digital Age“ drei Optionen auf, wie Kunden sich jetzt verhalten können:

  1. Möglichkeit: Den alten Vertrag behalten und nichts unternehmen.
  2. Möglichkeit: Lizenztausch – SAP Nutzer behalten ihren bestehenden Vertrag und fügen eine Ergänzung hinzu, die die indirekte Nutzung klar regelt.
  3. Möglichkeit: Vertragsumstellung in Verbindung mit einer Migration (innerhalb des alten Systems oder S/4HANA).

Diese drei Möglichkeiten gibt es. Damit SAP-Kunden wissen, welche Option die beste für sie ist, sollten sie selbst tätig werden – je früher desto besser. SAP belohnt jeden Kunden, der aus eigenem Antrieb seine indirekte Nutzung korrekt lizenziert. Es wird dann keine Wartung für zurückliegende Jahre verlangt. Bei einem Zeiterfassungssystem, das seit ca. 5 Jahren im Einsatz ist, kann das sonst schon mal eine Verdoppelung der Kosten bedeuten.

Nur wenn ich selber meine Position genau kenne, habe ich wirklich die Möglichkeit, das für mich beste Modell zu verhandeln.

 

… und was für SAP-Partner, die Lösungen mit potenziell indirekter Nutzung anbieten?

Ich denke, es gehört zu einer offenen Kommunikation mit den Kunden, diese Punkte klar anzusprechen. Eine Überraschung im Audit ist immer die schlechteste Variante.

 

Wie können SAP-Anwenderunternehmen sicher beurteilen, ob sie ein Risiko der indirekten Nutzung und der drohenden Nachlizenzierung haben?

Wir bekommen im Moment viele Anfragen von Unternehmen, die gerade vor genau diesem Problem stehen. Ab November 2018 wird indirekte Nutzung automatisch aufgedeckt – damit es da keine bösen Überraschungen gibt, sollte man vorsorgen.

Unser Credo: Transparenz hilft! Kommen Sie SAP zuvor, und verschaffen Sie sich einen Überblick über Ihre SAP-Lizenzlandschaft. Mit dem richtigen SAM-Tool geht das ganz einfach. Sie bekommen eine Analyse der augenblicklichen Lizenzsituation und erfahren auch, welche Optimierungsmöglichkeiten bestehen.

Mit einem Tool wie samQ ermittelt man zudem kritische Interfaces, über die indirekte Nutzung angestoßen wird. Das liefert einem Berater dann die notwendige Datenbasis, um gezielt die aktuelle Situation zu erfassen und bei Bedarf die richtige Verhandlungsstrategie aufzustellen.

 

Was empfehlen Sie SAP-Kunden?

Wichtig ist, überlegt zu handeln und alle Optionen abzuwägen. Jeder sollte sich seiner Position bewusst werden und dementsprechend das beste Lizenzmodell wählen. So sind Unternehmen mit wenigen indirekten Usern, aber hohem Transaktionsvolumen, eventuell im alten Preismodell besser aufgehoben. Bei vielen externen Benutzern, die über vorgelagerte Systeme wie Salesforce Transaktionen auslösen, könnte das neue Lizenzmodell passender sein.

Man sollte seinen aktuellen Vertrag auf jeden Fall genauestens kennen. Einige auf Lizenzverträge spezialisierte Anwälte sind der Auffassung, dass in so manchem alten Vertrag nur die Nutzung durch Personen zu lizenzieren ist. Reine Maschinen- also IoT-Nutzung wäre dann frei von Lizenzkosten!

So oder so: Die Zeit drängt! Wer nicht bald handelt, dem könnte die Zeit davon laufen. Mit einem negativen Auditergebnis auf dem Tisch lässt sich das alles viel schlechter verhandeln.

Sich allein mit Manpower einen Überblick über seine Lizenzlandschaft zu verschaffen, ist fast unmöglich. Nutzen Sie daher Tools, z.B. samQ oder den Interface Scanner von SNP, die Sie dabei unterstützen. Mit einer objektiven Datenbasis wissen Sie genau über Ihre Lizenzen Bescheid und haben so auch einen besseren Standpunkt in Verhandlungen mit SAP.

Wägen Sie die Vor- und Nachteile der verschiedenen Möglichkeiten genau ab. Holen Sie sich im Zweifelsfall Experten dazu, die Sie beraten können. Unsere Lizenzexperten liefern beispielsweise auch Tipps, wie Kunden Verhandlungen für sich nutzen und mögliche Vorteile, wie etwa das Eintauschen von nicht mehr benötigten Lizenzen, für sich herausholen.

 

Ist für Bestandskunden ein Wechsel auf das neue SAP-Lizenzmodell, das zwischen direkter und indirekter Nutzung unterscheidet, eine Option?

Das kann durchaus eine Option sein. Das neue Modell liefert ein hohe Transparenz und Planbarkeit. Wer wechselt, kann sich sicher sein, dass lediglich die definierten neun Dokumente zu lizenzieren sind. Alle anderen Arten von indirekter Nutzung sind dann kostenfrei. Zudem ist nur das erste Anlegen eines Dokuments preisrelevant; Ändern und Lesen sind kostenfrei. Auch das Verhältnis zwischen den Dokumenttypen spielt keine Rolle mehr, ausschlaggebend ist nur die Gesamtanzahl aller erzeugten Dokumente.

Aber es kommt eben — wie vorher schon erwähnt — auf die genaue Nutzung im Einzelfall an. Das alte, nicht besonders genau definierte Modell kann unter Umständen auch deutlich günstiger sein. Gerade dann, wenn man an ausgedehnte IoT-Nutzung, beispielsweise in der Produktion, denkt. Wenn absehbar ist, dass eine Vielzahl an Transaktionen in Zukunft von Sensoren an Maschinen automatisch erzeugt wird, muss man zumindest einen sehr guten Preis pro Dokument verhandeln, sonst lohnt es sich schnell nicht mehr.

Seien Sie sich bewusst: Kein Bestandskunde kann dazu gezwungen werden, das Modell zu wechseln. Für den Umstieg müssen neue Lizenzbedingungen vereinbart werden. Beim Vertrag können sich so neue Passagen einschleichen, die alte Vorteile ersetzen oder mögliche Nachteile schaffen (z.B. Lizenzierung nach Berechtigung).

Eins ist klar: SAP wird mit Sicherheit das neue Modell bevorzugen und es schnell verbreiten wollen. Das eröffnet Kunden eine gute Verhandlungsposition. Nutzen Sie im Zuge der Umstellung die Gelegenheit, alte „Lizenzprobleme“ zu beseitigen!

 

Vielen Dank für das Gespräch.

Die Fragen stellte Helge Sanden, Chefredakteur des IT-Onlinemagazins, während der CEBIT 2018 in Hannover.

 

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