Die voranschreitende Digitalisierung und gesetzliche Neuerungen wie das deutsche Wachstumschancengesetz verpflichten Unternehmen ab Januar 2025, Rechnungen in strukturierten elektronischen Formaten zu empfangen. Diese Formate müssen eine automatisierte und rechtskonforme Verarbeitung ermöglichen.
Wie E-Rechnungssysteme nahtlos in bestehende SAP- und ERP-Infrastrukturen integriert werden können und welche Voraussetzungen bis 2025 erfüllt sein müssen, erläutert Werner Kroiss (EPO Consulting | Foto) in seinem Gastbeitrag.
Typische Szenarien und deren Bedeutung für die Umstellung
Manuelle Erfassung und Buchung von Rechnungen
In vielen Unternehmen werden Rechnungen noch manuell erfasst und gebucht. Dabei werden die Eingangsrechnungen manuell in das SAP System eingegeben. Daten wie Lieferant, Betrag, Rechnungsdatum und Fälligkeitsdatum werden dazu zunächst händisch erfasst. Danach erfolgt die Kontierung auf die entsprechenden Kostenstellen, Sachkonten oder andere Kontierungsobjekte. Ein interner – meist ebenfalls manueller – Freigabeprozess, der von den jeweiligen Abteilungen durchgeführt wird, schließt den Vorgang ab, bevor die Rechnung tatsächlich gebucht wird.
Expertenmeinung: Dieses Setup wird mit dem Wegfall der klassischen Papierrechnung und einfachen PDF-Rechnungen nicht mehr ausreichen, um die neuen digitalen Empfangsvorgaben zu erfüllen. Zudem muss bis spätestens 2027 auch der Versand von EU-konformen E-Rechnungen sichergestellt sein (ausgenommen Unternehmen mit weniger als 800.000 Euro Jahresumsatz bis 2028). Hier heißt es also: Radikal umstellen, besser jetzt als später!
Teilautomatisierte Rechnungsverarbeitung mit OCR
Eine fortschrittlichere Methode ist die teilautomatisierte Verarbeitung mittels Optical Character Recognition (OCR). Hier werden die Rechnungen gescannt und die Daten automatisch in das SAP-System übertragen. Nach der Validierung der so erhaltenen Informationen durchlaufen die Rechnungen entweder manuelle oder teilautomatisierte Freigabeprozesse. Diese Prozesse können im Rahmen des externen Digitalisierungsprozesses, in einem ECM- oder DMS-System oder bereits in vordefinierten SAP Workflows erfolgen.
Expertenmeinung: Dieses Setup bildet eine gute Basis, um den Prozess der digitalen Rechnungsverarbeitung nun um die neuen Vorgaben zu Empfang und Versand rein elektronischer Rechnungen zu erweitern. Probleme könnten jedoch entstehen, wenn der aktuelle Digitalisierungsdienstleister keine Lösung bis zum Stichtag am 01.01.2025 anbieten kann. Oder wenn die Implementierung zeitlich oder finanziell (dann) nicht mehr rechtzeitig machbar ist.
Implementierung von Drittservices mit SAP-Connectoren
Ein dritter Lösungsweg liegt in der Nutzung spezieller SAP-Connectoren. Diese dienen als universelle Schnittstellen und ermöglichen eine direkte Anbindung an Drittsysteme und Cloud-Lösungen. Ihr größter Vorteil: Dadurch wird der Einsatz zusätzlicher Middleware überflüssig.
Diese Lösung vereinfacht nicht nur den Einstieg in den verpflichtenden E-Rechnungsempfang. Sie ermöglicht auch spätere Anpassungen für den elektronischen Rechnungsversand oder die Echtzeit-Übermittlung von umsatzsteuerrechtlichen Rechnungsdatensätzen ab 2028, welche aus Ressourcen-, Zeit- oder Kostengründen erst einmal zurückgestellt werden müssen.
Streamlining des Prozesses mit einem Incoming Document Handling Server
Wenn die Zeit drängt und der E-Rechnungsprozess schnell eingeführt werden muss, kann eine speziell entwickelte Lösung sinnvoll sein, die binnen weniger Tage implementierbar ist, beispielsweise von EPO Consulting. Hierbei bleiben bestehende Prozesse und Workflows erhalten. E-Rechnungen, die Schätzungen zufolge ab 2025 größtenteils per E-Mail eingehen dürften, werden in einem eigenen Verarbeitungs- und Freigabeprozess integriert. Das ermöglicht eine besonders schnelle, kostengünstige und „minimalinvasive“ Anpassung.
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Konkreter Prozessablauf der ”schnellen Lösung” für E-Rechnungen
Die Abholung, Klassifizierung, Validierung und Weiterleitung von E-Rechnungen erfolgt mittels eines Cloud- oder On-Premise-Servers. E-Mails werden vorselektiert und an definierte Ziele weitergeleitet. E-Rechnungen im XML-Format (so wie XRechnung, ZUGFeRD, Factur-X oder FatturaPA) werden direkt an das ERP- oder ECM-System übergeben, während PDF-Rechnungen an bestehende OCR-Scan-Lösungen weitergegeben werden.
Prozessschritte:
- E-Mail-Abholung über MS Exchange online, on-Premise oder IMAP
- Validierung der E-Rechnung, beispielsweise nach dem Schematron der Koordinierungsstelle für IT-Standards (KoSIT): Treten Fehler auf, erhält der Rechnungsabsender sofort eine Rückmeldung inkl. Fehlerreport per E-Mail
- Visualisierung durch einen XML-Viewer
- Rechnungseingang per SAP Connector in ein Rechnungseingangsbuch
- Archivierung der XML E-Rechnungen im Original über SAP ArchiveLink
- Mehrstufige Freigabe, direkt im Rechnungseingangsbuch integriert
- Weiterverarbeitung durch Transformation des XML nach ABAP
- Anreicherung um Finanzkonten und Kontierung auf Kostenstellen oder Kostenträger
- Übergabe an die Buchungsschnittstelle für die SAP Module FI & MM zur Vorerfassung oder direkten Buchung
Mit diesen Schritten ist eine vollständige Automatisierung, die sogenannte Dunkelbuchung, nicht nur schnell, sondern auch zukunftssicher und technologiebeständig möglich. Vorausgesetzt, die initiale Kontrolle erfolgt bereits über die Bestellfreigabe im (optimalerweise) ebenfalls digitalisierten Beschaffungsprozess.
Alternativen und Optionen für den
E-Rechnungsprozess
Natürlich könnten die E-Rechnungen bei diesem variablen Setup auch in bestehenden ECM- und Workflow-Systemen weiterverarbeitet werden. Die Einbindung der direkten XML-Buchungslogik in bestehende Lösungen ist ebenfalls möglich. So ließen sich die bisherigen Prozesse für Papier- und PDF-Rechnungen, die sukzessive durch E-Rechnungen ersetzt werden, zunächst optimal ergänzen – ohne, dass sich die betroffenen Mitarbeitenden ausführlich umstellen müssten.
Eine weitere Option ist die Anbindung an das PEPPOL-Netzwerk durch einen EDI-Partner. Lieferanten müssten in diesem Fall ebenfalls an PEPPOL teilnehmen und ihre Rechnungen darüber einbringen. Ein ausgeklügelter und durchdachter Incoming Dokument Handling Server könnte dann auch hier wieder für die optimale Prozess-, Validierungs- und Verteilungsstruktur sorgen.
Mit diesen Strategien und Best Practices können SAP-Anwender und Entscheider in mittleren bis großen Unternehmen sicherstellen, dass sie die gesetzlichen Anforderungen rechtzeitig erfüllen und ihre Rechnungsverarbeitung zukunftssicher gestalten.
Weiterführende Informationen:
Im Hinblick auf die bevorstehende E-Rechnungspflicht für B2B-Geschäfte in Deutschland hat das Beratungs- und Softwarehaus neben seinem EPO Connector für SAP kürzlich zwei weitere Tools zur Validierung von XRechnungen und zur Visualisierung von XML-Rechnungsdatensätzen vorgestellt, die bis auf Weiteres kostenlos auf der Unternehmensseite zur Verfügung stehen.
Über den Autor:
Werner Kroiss ist Gründer und Geschäftsführer des Wiener SAP-Spezialisten EPO Consulting GmbH. Der studierte Betriebswirt und OMG-zertifizierte Experte in BPM verfügt über mehr als 20 Jahre Erfolgsexpertise in der SAP Beratung mit Schwerpunkt Schnittstellen, Technologie und Prozesse – unter anderem für besonders herausfordernde Fragestellungen im Logistik- und Finanzbereich.