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Konsolidierung und Digitalisierung treiben M&A im IT-Sektor: IT-Markt im Wandel

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Ralf Heib: „Viele mittelständische IT-Unternehmen stehen vor zwei zukunftsweisenden Herausforderungen: dem Nachfolgeproblem und dem Technologiewandel.“

Es vergeht kaum eine Woche ohne neue Ankündigungen über Käufe und Verkäufe im IT-Markt. In Deutschland betrifft dies auch die über 9.500 Unternehmen des deutschen IT-Mittelstands, die zwischen 10 bis 499 Mitarbeiter beschäftigen.

Wir fragten Ralf Heib, Geschäftsführer der match.IT GmbH, wie Konsolidierung und Digitalisierung, als zwei sich überlagernde und verstärkende Trends, die M&A-Aktivitäten (Mergers & Acquisitions) treiben.

 

Herr Heib, wie weit ist die Konsolidierung am IT-Markt bereits fortgeschritten?

Recht weit, wie ich allerorten feststelle. Dominierende Marktplayer, wie etwa itelligence, all for one steeb, msg oder Allgeier im Segment der SAP-Dienstleister oder Bechtle, DATAGROUP, Cancom im Segment der Systemhäuser, haben in den letzten Jahren konsequent hinzugekauft, um ihre Marktpositionen weiter zu stärken. Gleichzeitig sind viele Eigentümer mittelständischer IT-Unternehmen auf der Suche nach Nachfolgern und Investoren. Häufig haben sie ihre Unternehmen in den 80er und 90er Jahren gegründet und denken nun als „Best-Ager“ langsam über Exit-Szenarien nach.

 

Und wodurch wird dieser Prozess hauptsächlich getrieben?

Vorrangig durch den steigenden Margendruck auf klassische IT-Dienstleistungen und die stetig wachsenden Investitionsbedarfe bei immer kürzeren Innovationszyklen. Dabei wird für den digitalen Mittelstand der Zugang zum Arbeitsmarkt und zu Finanzierungsmöglichkeiten zum Engpass und zur Wachstumsbremse gleichermaßen. Eine ganze Reihe bekannter Unternehmen ist in den letzten Jahren aus dem IT-Markt verschwunden.

 

Wie reagieren die IT-Dienstleister darauf?

In der Konsequenz suchen gerade mittelständische Eigentümer immer häufiger die Anbindung an einen größeren strategischen Partner bzw. Investor. Der Vorteil dabei: Das KMU kann an das größere Unternehmen andocken, dessen Infrastruktur und Vertriebswege nutzen, ohne direkt seine mittelständische Flexibilität zu verlieren. In der Praxis bleibt der Unternehmensgründer meist noch für eine längere Übergangsphase an Bord und kann dann sein Lebenswerk schrittweise als Bestandteil einer größeren Unternehmung in einen sicheren Hafen bringen.

 

Was macht dieses Vorgehen für Investoren interessant?

Dieser vergleichsweise sanfte Übergang wird auch von den Investoren geschätzt, weil damit das Risiko eines harten Schnitts beim direkten Abgang des Gründers vermieden werden kann. So ist ein wesentliches Ziel bei Transaktionen im IT-Sektor, die bestehende Mannschaft mit ihrer digitalen Kompetenz an Bord zu halten, um dadurch die Kontinuität im Geschäftsablauf zu wahren.

Hier kann ein intensives Integrationsmanagement zur Bindung der Mitarbeiter beitragen und variable Preismodelle, ein sogenannter Earn-Out, die noch im Unternehmen verbleibenden Gründer im Sinne der Investoren motivieren.

 

Wie können dabei M&A-Aktivitäten der Digitalisierung dienlich sein?

Im Hinblick auf die Konsolidierung und die anstehende Nachfolgewelle sind viele Eigentümer mittelständischer IT-Unternehmen in der Defensive. Hier kann ich nur dazu raten, rechtzeitig den Prozess zur Nachfolgeplanung und Investorensuche anzugehen. Zu früh gibt es dabei nicht. Und gleichzeitig tun sich vielfältige Chancen auf, die sich für IT-Unternehmen aus der jetzt anlaufenden Welle der digitalen Transformation ergeben. Schließlich steht das Thema Digitalisierung mittlerweile branchenübergreifend auf der Agenda aller Unternehmen und führt zu einem sprunghaften Anstieg der Nachfrage nach qualifizierten IT-Dienstleistungen.

Neben den klassischen IT-Services werden dabei immer mehr auch Beiträge zur Gestaltung innovativer Geschäftsmodelle gefordert. Bei aller Digitalisierungseuphorie wird es hier für viele kleine und mittelgroße IT-Unternehmen zunehmend schwer mitzuhalten und ihre Teams und Geschäftsmodelle auf die neuen digitalen Schwerpunkte auszurichten. So ist die Digitalisierung auf keinen Fall ein Selbstläufer für mittelständische IT-Unternehmen.

Dennoch steht fest, dass sich die steigende Nachfrage nach digitalen Services unmittelbar auch auf die Nachfrage am M&A-Markt im IT-Sektor auswirkt. Zudem ergänzen auch große Unternehmen ihr digitales Wachstum aus eigener Kraft mithilfe von Zukäufen, um mit digitalen Technologien für neues Unternehmenswachstum sorgen. Aktuell verdrängt die Nachfrage nach digitalen Fähigkeiten zusehends die früheren, klassischen Gründe für das Vorantreiben von M&A.

 

Wie begünstigt diese Marktentwicklung den M&A-Prozess?

Ralf HeibFür mittelständische IT-Unternehmen, die sich rechtzeitig für die anstehende Digitalisierung aufgestellt haben und gleichzeitig auf der Suche nach einem Investor sind, bedeutet das beste Voraussetzungen im Hinblick auf einen möglichen Firmenverkauf. So ist mittlerweile im IT-Markt eine breite Anzahl von unterschiedlichen Investorentypen aktiv. Das reicht von den klassischen strategischen Playern und Konsolidierern, über Finanzinvestoren bis hin zu internationalen Investoren und vor allem auch zunehmend traditionellen Non-IT Unternehmen aus allen Branchen.

Große Technologie-Unternehmen wie beispielsweise Siemens und Bosch, aber auch die Automobilbauer entwickeln sich durch massive Zukäufe sukzessive zu IT- und Software-Dienstleistern. Gleichzeitig sind Unternehmen aus vielfältigen anderen Branchen von der Finanzindustrie bis zur Agrarwirtschaft mittlerweile auf der Suche nach attraktiven Zielunternehmen im IT-Sektor. Galt IT noch in der jüngeren Vergangenheit als Objekt für das Outsourcing, so wird jetzt mit zunehmendem Grad der digitalen Wertschöpfung die IT verstärkt als Kernkompetenz betrachtet, die es wieder ins Unternehmen zurück zu holen gilt.

 

Welche Auswirkungen hat das auf die KMU im IT-Markt?

Das hat natürlich immense Auswirkungen auf den gesamten IT-Sektor. Spricht man beim Personalmarkt lange schon vom „War for Talents“, so hat schon längst auch der Kampf um den Zukauf attraktiver digitaler Unternehmen begonnen. Für gut aufgestellte IT-Unternehmen hat sich der M&A-Markt hier eindeutig zum Verkäufermarkt gewandelt.

 

Wird M&A bei der hohen Nachfrage dann nicht zum Selbstläufer?

Nein, das keinesfalls. Trotz aller Dynamik und Nachfrage am IT-Markt ist sowohl für Eigentümer als auch für Investoren der M&A-Erfolg nicht unbedingt automatisch vorprogrammiert. So gilt es für Eigentümer nach wie vor zunächst ihre Hausaufgaben zu machen, um den Prozess der Investorensuche sauber vorzubereiten.

 

Und wie geht man beim Verkauf am besten vor?

Dazu gehören die richtige Positionierung des eigenen Unternehmens, das Festlegen des idealen Zielinvestors und die Story, mit der man an den M&A-Markt geht … sowie ein überzeugender Business Plan, der die eigene Story auch in belastbaren Zahlen ausdrückt. Gerade das Beherrschen des eigenen Zahlenwerks ist in der Kommunikation mit den Investoren überaus wichtig.

Und da es sich beim Verkaufsprozess für die meisten Eigentümer um eine so genannte „Once in a lifetime“-Aktivität handelt, sollte auch frühzeitig ein Team aus qualifizierten externen Partnern, wie Steuerberater und Wirtschaftsprüfer sowie Rechtsanwalt und M&A-Berater, mit einbezogen werden.

 

Was bedeutet das für die Investoren?

Auch für die Investoren selbst wird die Suche nach interessanten Zielunternehmen im IT-Markt immer wettbewerbsintensiver. Hier kann nur ein strategischer Ansatz zum Ziel führen. Das rein opportunistische Warten auf im Markt verfügbare Verkaufsangebote führt nur noch selten zum Erfolg. Bekommt man ein interessantes Unternehmens-Exposé auf den Schreibtisch, so kann man getrost davon ausgehen, dass parallel noch eine ganze Reihe weiterer Investoren an dem Fall dran sind.

Deshalb bedarf es einer klaren Definition, welche Zielunternehmen im Hinblick auf die eigene Wachstumsstrategie frühzeitig aktiv angesprochen werden sollen und einer überzeugenden Story, die das eigene Unternehmen als idealen Investor für das Zielunternehmen positioniert. Nur so kann man sich als Investor einen Vorsprung im Rennen um interessante Targets im IT-Markt erarbeiten.

 

Welche Rolle spielt im M&A-Prozess der Faktor Mensch?

Eine, wenn nicht die entscheidende Rolle. Sind bei einer Transaktion eines IT-Unternehmens eine Vielzahl betriebswirtschaftlicher, juristischer und technischer Fragestellungen zu klären, so entscheidet doch letztendlich immer der Faktor Mensch. Dies beginnt schon bei der ersten Kontaktaufnahme mit möglichen Zielunternehmen. Angesichts vieler Anfragen aus dem Markt gibt es hier für die Ansprache des Eigentümers häufig nur ein recht kleines Zeitfenster, um ihn für das Anliegen des Investors zu interessieren.

 

Worauf muss man in der Kommunikation von Investor und Eigentümer besonders achten?

Eine überzeugende und auf das Zielunternehmen ausgerichtete Story des Investors trennt schnell die Spreu vom Weizen. Aber entscheidend ist auch die erste persönliche Begegnung. Trifft hier der Vorstand des Investors im teuren Zwirn auf den IT-Gründer im Hoody, so prallen die Kulturen nicht nur optisch aufeinander. Doch häufig ist ja genau dieser Kulturtransfer gewünscht und muss daher auch entsprechend gut „gemanaged“ werden.

Denn viele traditionelle Unternehmen brauchen diese „Frischblutzufuhr“ durch kleine, agile, digitale Unternehmen. Deshalb ist von Anfang an zwischen Investor und Eigentümer eine offene Kommunikation auf Augenhöhe zu empfehlen. Passiert die Ansprache durch den Investor zu sehr von oben herab, kann der Dialog recht schnell ein Ende finden.

Kleine, digitale Unternehmen sind heute mehr denn je überaus selbstbewusst und wollen sich ihren Investor quasi mit aussuchen. Gleiches gilt auch, wenn die Entscheidungsprozesse seitens des Investors zu administrativ und wenig transparent sind oder einfach viel zu lange dauern.

 

Wie wichtig ist ein gemeinsames Ziel?

Wer Visionen hat, soll zum M&A-Berater gehen, denn wesentlich für die erfolgreiche Akquisition digitaler Unternehmen ist die Entwicklung einer gemeinsamen Vision und eines überzeugenden Integrationskonzeptes bereits in der frühen Phase der M&A-Transaktion.

Ein überzeugendes Integrationskonzept bedeutet dabei nicht unbedingt, das digitale Unternehmen möglichst schnell als Abteilung in das eigene Unternehmen einzubinden. Gerade dies kann häufig kontraproduktiv wirken. So besteht die Gefahr, dass das zarte Pflänzchen der neuen agilen und digitalen Kultur alsbald von der bestehenden Organisation „platt gemacht wird“. In der Folge verlassen dann die „zugekauften“ IT-Experten das kaufende Unternehmen wieder — mit dem Effekt, dass viel Wert vernichtet wird. Daher sind intelligente Integrationskonzepte gefordert.

 

Was ist aus Ihrer Sicht hier zu empfehlen?

Oft ist es sinnvoll, das neue Unternehmen mit bestehendem Brand weiterhin als eigenständige Einheit zu führen und schrittweise die Kooperation mit dem eigenen Unternehmen aufzusetzen. In vielen Fällen ist es zudem angebracht, dass das zugekaufte Unternehmen weiterhin Drittmarktgeschäft am Markt anbietet. Dies hilft zum einen bei der Mitarbeiterbindung, weil die Beschäftigten dann noch weitere Einsatzoptionen haben. Gleichzeitig können dadurch auch weiterhin externe Innovationsimpulse aus dem Markt gewonnen werden.

 


Erfolgsfaktoren in Kürze

  • Klare Vision und Strategie
  • Realistischer und nachvollziehbarer Business Plan
  • Transparente Profitabilität
  • Eine überlebensfähige Organisation
  • Klare Verhältnisse auf der Eigentümerseite
  • Definierte M&A-Strategie und Vorgehensweise

 

Herr Heib, vielen Dank für das Gespräch.

 

 

Ralf Heib ist Geschäftsführer der match.IT GmbH in Saarbrücken, einer M&A-Beratung, die sich auf den mittelständischen IT-Markt im deutschsprachigen Raum spezialisiert hat. Der Großteil dieser mittelständischen IT-Unternehmen, welche jährliche Umsätze von fünf bis zwanzig Millionen Euro erzielen, steht vor tiefgreifenden Veränderungen. Nachfolgeprobleme und zunehmender Konsolidierungsdruck im klassischen IT-Geschäft stehen dabei neue Wachstumschancen im Zuge der Digitalisierung gegenüber. match.IT unterstützt mittelständische IT-Unternehmen mit der richtigen Strategie, um weiteres Wachstum zu generieren und den Technologiewandel zu meistern oder bei Exit- und Nachfolgeplänen den passenden strategischen Investor zu finden.

 

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