Reifegrade bei der Digitalisierung der Logistik mit SAP

Unternehmen sind bei der Digitalisierung in der Logistik unterschiedlich weit. Während einige noch stark papiergebunden arbeiten, beschäftigen sich andere mit neuesten KI-Methoden zur Prozessoptimierung. Mögliche Pfade zur Digitalisierung und Automatisierung der Prozesse mit SAP-Lösungen hängen stark von der jeweiligen Ausgangssituation ab.

Von Nicole Thielen, Michael Dreimann, Michael Keimeier, Alexander Kulbartsch, Robert Teschendorf, von Arvato Systems wollte ich wissen, welche Reifegrade typisch sind, welche Digitalisierungsszenarien aktuell in der Logistik umgesetzt werden, wo die Optimierungspotenziale besonders hoch sind und welche Erfahrungen sie beim Einsatz von Künstlicher Intelligenz gesammelt haben.

 

 

Welche digitalen Reifegrade finden Sie in der Logistik bei SAP-Anwenderunternehmen vor?

Alexander Kulbartsch (Senior IT Architect): Im Vergleich zu anderen Bereichen ist in der Logistik und im Lager schon oft einen hohen Digitalisierungsgrad erreicht. Es gibt starke Unterstützung für Tourenplanung, Packen im Lager, Qualitätssicherung durch Tracking.

Dennoch sind hier weiterhin oft einige Optimierungen möglich, wie besseres Tracking und Serialisierung, Picking mit Unterstützung von Augmented Reality, Indoor-Navigation oder Verbesserung der Abläufe mit Ideen aus der Künstlichen-Intelligenz.

Robert Teschendorf: Wir sehen hier eine sehr große Diversität im digitalen Reifegrad. Es gibt SAP-Anwenderunternehmen, die bereits sehr gute digitale Lösungen einsetzen. Des Weiteren sehen wir Unternehmen, die zwar nicht mehr mit Papier arbeiten, sondern mit Scannern. Diese sind dafür sowohl in der Software als auch in der Hardware sehr alt und klobig.

Beide Gruppen sind aber eher Minderheiten unter den SAP-Anwenderunternehmen. Die Mehrheit setzt nach wie vor Papier für die Ausführung der Prozesse ein und arbeitet kaum digital im Lager. Aus unserer Erfahrung sind die Gründe häufig, dass digitale Lösungen sehr teuer waren, der Mehrwert nach der Einführung zu gering für die Investition war und die Einführung zu komplex war und zu lange hat. Aus den Gründen war die Verlockung auf Papier zu bleiben einfach zu groß.

 

Für welche Aufgaben und Herausforderungen suchen Unternehmen aktuell nach Optimierungspotenziale in der Logistik?

Alexander Kulbartsch: Unternehmen möchten eine gleichförmige Auslastung der Arbeiten im Lager, einhergehend mit geringerem Ressourcen-Bedarf, der zu Spitzenzeiten vorgehalten werden muss. Auch soll eine schnellst mögliche Belieferung der Kunden erfolgen.

Ganze Lieferketten müssen vor Betrug und Verlusten abgesichert werden. Transporte sollen eine optimale Auslastung bei Optimierung der Lieferwege haben.

 

Welche Chancen ergeben sich durch den Einsatz von Machine Learning und Künstlicher Intelligenz bei den Logistikprozessen?

Alexander Kulbartsch: KI ermöglicht eine proaktive Bereitstellung von Ware und kann Prozesse deutlich beschleunigen. Je mehr Informationen verfügbar sind, desto besser kann die Optimierung erfolgen. An sonnigen Tagen wird mehr Eis bereitgestellt, vor Veranstaltungen kann die Versorgung von Kiosken vorausschauend eingeplant werden. Auch lassen sich im Sales mit den Informationen noch besser abgestimmte Cross-Selling Angebote ermöglichen.

Durch die Optimierung von Lagerprozessen kann auch die Zeit zwischen der Bestellung des Kunden und der Lieferung reduziert werden. Auslastungsspitzen werden vermieden und die Kundenzufriedenheit gesteigert. Dies ist nur die Spitze der Möglichkeiten für die Logistik, die sich in Zukunft ergeben werden.

 

Beim Warehouse Management mit SAP sind unterschiedlichste Ausprägungen und Umsetzungsalternativen möglich. Was beobachten Sie diesbezüglich?

Michael Keimeier (Head of Digital Supply Chain Solutions): Bei unseren Kunden zeigt sich ein sehr heterogenes Bild: Als ERP-System nutzen viele noch das als „R/3“ bekannte SAP ECC, einige sind bereits auf S/4HANA und wiederum andere nutzen Microsoft Dynamics, „Best of breed“-Lösungen oder Eigenentwicklungen. Genauso heterogen ist es um die Lagerverwaltungssysteme bestellt.

Mal sehen wir ein SAP WM in zentraler Architektur (LE-WM), mal in dezentraler Architektur (LE-IDW), mal ein SAP EWM. Wir treffen auch Szenarien an, in denen die Bestände einzelner Lagerorte oder ganzer Werke noch überhaupt nicht lagerplatzgenau bestandsgeführt werden.

 

Sie bieten eine cloudbasierte Logistikplattform namens “platbricks”. Für welche Einsatzszenarien wird diese bevorzugt eingesetzt?

Michael Keimeier: Da haben wir einen ganzen Blumenstrauß an Einsatzszenarien! Der gemeinsame Nenner ist, dass es immer um das Schließen von Digitalisierungslücken in relevanten Geschäftsprozessen unserer Kunden geht.

Und dazu zählen unter anderem der Einsatz von platbricks für die mobile Ausführung logistischer Prozesse mit smarten Geräten und IoT-Komponenten anstelle von Papier, der Einsatz als bestandsführendes WMS zur Erhöhung der Bestandstransparenz, beispielsweise in Außenlägern, Microdepots oder Konsignationslägern, aber auch der Einsatz zur Abbildung von Lohnbearbeitungsprozessen.

 

Verändern die Corana-Auswirkungen die Digitalisierungsvorhaben? Was wird im aktuell volatilen Marktumfeld bevorzugt umgesetzt?

Nicole Thielen: Die Auswirkungen von Corona sind aus unserer Sicht sehr unterschiedlich zu bewerten und abhängig von Branchenumfeld. Wir beobachten auf der einen Seite, dass langfristig geplante Digitalisierungsvorhaben (z.B. S/4HANA Einführungen) unvermindert weiterverfolgt und nach vorne getrieben werden.

Auf der anderen Seite bedingt die Situation auch eine Verlagerung der Vorhaben und Budgets hin zu schlankeren und agileren Ansätzen und Optimierungsprojekten, die mit wenig Mittelaufwand große Verbesserungen in Prozessen erzielen.

Auf die Frage, was im aktuellen Marktumfeld die Kunden am meisten umtreibt, so ist dies sicherlich die Umstellung auf S/4HANA und die Frage wie ihre zukünftige IT-Architektur aussehen kann. Hier begleiten wir aktuell viele Unternehmen mit unserer Business Transformation Roadmap auf ihrem Weg.

 

Bei vielen Unternehmen sind Lohnbearbeitung und Subcontracting besonders ausgeprägt. Wie kann man die Abwicklung digitalisieren und automatisieren?

Michael Dreimann (Senior Management Consultant): Es ist doch so: Die mangelhafte Transparenz — speziell entlang dieser Prozessketten — ist für die beteiligten Unternehmen und die handelnden Mitarbeiter mehr als nur ein Ärgernis. Gute Planung und Steuerung ist ihnen mit den heutigen Mitteln quasi unmöglich.

Wir haben geeignete, intuitive Tools im Gepäck, um Licht ins Dunkel zu bringen: Damit sorgen wir an jedem gewünschten Punkt mit einfachsten digitalen Mitteln – hier reicht jedes banale Android-fähige Gerät auf der Fläche – für Transparenz. Diese Transparenz erstreckt sich sowohl auf die Prozesse des Lohnbearbeiters als auch auf den Auftraggeber und seine SAP-Welt.

Das Ganze dann aus der Azure-Cloud als SaaS bereitgestellt, skalierfähig und “pay-per-use“ abgerechnet.

 

Was wird für Sie in den kommenden 12 Monaten das dominierende Thema in der SAP-Community?

Nicole Thielen: Die Operationalisierung von strategischen Vorhaben. Cloud und S/4HANA Transformationen sind seit vielen Jahren im Gespräch und unter den Top Themen, nun kommt die Zeit in denen diese Themen auch umgesetzt werden.

 

Vielen Dank für das Gespräch.

Die Fragen stellte Helge Sanden, Chefredakteur des IT-Onlinemagazins.

 

 

Alle Logistik-Experten sind Gäste beim Thementag Logistik im Rahmen der IT-Onlinekonferenz am 17. Juni 2020. Sie geben dort gemeinsam mit Kundenvertretern von Diebold und Lekkerland Erfahrungsberichte aus aktuellen Digitalisierungsprojekten in der Logistik und Empfehlungen für vergleichbare Vorhaben.

Sie können diesen und alle Beiträge live oder als Aufzeichnung verfolgen und eigene Fragen an die Experten stellen.

Erfahrungsberichte zur Logistik-Digitalisierung
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