RPA und SAP: Automatisierung von Finanzprozessen und in anderen Fachabteilungen

Die Durchlauf- und Bearbeitungszeit für Vorgänge in SAP-Systemen lassen sich durch Automatisierungen, beispielsweise mit RPA (Robotic Process Automation), reduzieren.

Von Maximilian Kleine-Brockhoff (Winshuttle) und Ricardo Ullbrich (Blue Prism) wollte ich wissen, welche Aufgaben in Finanzbereichen man an die Roboterkollegen delegieren kann, wie sich Ende-zu-Ende Prozesse automatisieren lassen, welche Rolle eine hohe Datenqualität dabei spielt und welche Prozesse außerhalb der Finanzabteilungen für RPA prädestiniert sind.

 

Herr Ullbrich, welche Aufgaben erledigt man im Finanzbereich am besten mit robotergestützter Prozessautomatisierung (RPA)?

Ricardo Ullbrich: Im Grunde genommen kann jede sich wiederholende Tätigkeit mittels digitaler Mitarbeiter automatisiert werden. Ich arbeite mit Kunden zusammen, die es wie folgt angegangen sind: Ein Mitarbeiter mit Kenntnissen der Automatisierung hat sich zusammen mit den Mitarbeitern aus den jeweiligen Bereichen bei der Arbeit hospitiert und daraus Potentiale diskutiert. Im ersten Schritt wurden Prozesse zusammen automatisiert und später haben die Mitarbeiter eine ganze Reihe von weiteren manuellen Prozesse den digitalen Mitarbeitern übertragen.

Um einige konkrete Beispiele zu nennen: Bestell- und Rechnungsprozesse (Purchase-to-Pay, Order-to-Cash und viele mehr), Kontenabgleiche, Monats-, Quartals- und Jahresabschluss. Heute können sich die Mitarbeiter auf die Tätigkeiten konzentrieren, wofür sie eigentlich auch vorgesehen sind.

 

Und funktioniert das im Zusammenspiel mit SAP-Lösungen und bei Ende-zu-Ende Prozessen, die möglicherweise viele unterschiedliche IT-Systeme durchlaufen?

Ricardo Ullbrich: Das funktioniert wunderbar und ist einer der großen Vorteile bei der Nutzung. Sie können mit zahlreichen IT-Systemen interagieren. Dabei können sie nicht nur mit den unterschiedlichen SAP-Lösungen arbeiten, sondern ganz ohne neue Schnittstellen auf alle Systeme zugreifen, mit denen ein Mitarbeiter arbeiten kann.

 

Herr Kleine-Brockhoff, welche Relevanz hat die Datenqualität im Kontext der Automatisierung von Prozessen?

Maximilian Kleine-Brockhoff: Bei der Automatisierung von Prozessen spielt gute Datenqualität eine entscheidende Rolle. Denn solche Projekte haben den Nebeneffekt, dass Daten, die bisher nur für einen bestimmten Verwendungszweck eingesetzt wurden, nun auch von anderen Anwendern genutzt werden.

Daten, die bisher nur in den Systemlandschaften einzelner Bereiche (Silos) ihren Zweck erfüllten, genügen nach einer Prozessvereinheitlichung und gar
-automatisierung nicht mehr den Anforderungen. Mit großer Wahrscheinlichkeit unterscheiden sich die Bereichsdatenmodelle, wenn sie nicht sogar inkonsistent sind.

Eine hohe Datenqualität ist daher quasi eine Voraussetzung für die Automatisierung von Prozessen.

 

Wie arbeiten Blue Prism und Winshuttle in Kundenprojekten zusammen?

Maximilian Kleine-Brockhoff: Wir haben ein sogenanntes Visual Business Object (VBO) für Blue Prism entwickelt, das die Aufgabe hat, unsere Skripte über das Excel-Add-In automatisiert auszuführen. Ein solches VBO öffnet automatisiert die Datei und meldet sich bei Winshuttle und SAP an. Anschließend werden die Daten validiert, simuliert und das Skript schließlich entsprechend ausgeführt.

Ricardo Ullbrich: Wir ergänzen uns hervorragend, arbeiten Hand in Hand und sorgen somit für eine sehr hohe Automatisierung. Ich möchte Ihnen das gerne an einem konkreten Beispiel erläutern:

Täglich erhalten Unternehmen zahlreiche Bestellungen und Rechnungen. Die digitalen Mitarbeiter von Blue Prism können sich diese aus den unterschiedlichsten Kanälen abholen (Mail, Webportal, Laufwerk, Fax, …). In diesem Schritt durchlaufen sie verschiedene Validierungen, um zum Beispiel auch Betrugsversuche zu erkennen und werden für die Weiterverarbeitung beispielsweise in ein .csv oder .xls File strukturiert. Danach verarbeitet Winshuttle innerhalb von SAP verschiedene Prozessschritte und am Ende des Durchlaufs, kann der digitale Mitarbeiter einen Status an die eine verantwortliche Person geben, den Lieferanten informieren oder den Vorfall zur Prüfung aussteuern.

 

Herr Ullbrich, welche anderen Fachabteilungen können ihre SAP-Prozesse ebenfalls mit RPA automatisieren, können Sie Beispiele nennen?

Ricardo Ullbrich: Nehmen wir hier doch mal das Beispiel der DSGVO. Wenn sie als Unternehmen die Anfrage eines Kunden erhalten, welche Informationen Sie über ihn gespeichert haben, dann fällt es den meisten heute nicht leicht, diese scheinbar einfache Anfrage innerhalb kürzester Zeit ohne manuellen Aufwand zu beantworten. Warum ist das so?

Sie haben eine historisch gewachsene Anwendungslandschaft, die sich ständig ändert. Eine Lösung könnte sein, dass sie alle Daten aus diesen Systemen in einem Data Lake speichern und basierend darauf die angefragten Informationen liefern. Oder sie überlassen die aufwendige Suche nach Informationen einer digitalen Ressource. Die sucht in allen vorhandenen Systemen nach der angefragten Information, bereitet sie entsprechend auf und steht somit unverzüglich zur Verfügung.

 

Was wird für Sie in den kommenden 12 Monaten das dominierende Thema bei der Automatisierung von Prozessen?

Ricardo Ullbrich: Bedingt durch die aktuelle Situation mit Covid-19 erkennen verstärkt viele Unternehmen und deren Mitarbeiter, welche Tätigkeiten zusätzlich automatisiert werden können.

Darüber hinaus diskutieren wir bei vielen unserer existierenden Kunden und Partnern, wie die anstehenden SAP-Migrationsprojekte hin zu S/4HANA durch die digitalen Mitarbeiter unterstützt werden können. In diesen Projekten besteht ein großes Potential, da Themen wie Datenmigration, Datenvalidierung, Upgrade-Analyse, Testen und viele andere mehr, manuell sehr aufwendig sind.

Hier können wir mit unseren SAP-Objekten helfen, den Zeitaufwand für diese Tätigkeiten deutlich zu reduzieren. So kann eine optimale Qualität geliefert werden, welches den Upgrade-Zyklus auf ein Minimum reduziert. Somit hat der Kunde die Sicherheit die von SAP verlängerte Maintenance nicht überziehen zu müssen.

Maximilian Kleine-Brockhoff: Dass digitale Geschäftsmodelle zunehmend ihre analogen Vorgänger vom Markt verdrängen, zeigt etwa der Blick in die USA: Dort ist dem Massachusetts Institute of Technology (MIT) zufolge, seit 2000 über die Hälfte der Fortune-500-Firmen vom Markt verschwunden, vornehmlich aufgrund der Digitalisierung.

Wir erwarten einen verstärkten Umstieg auf neue digitale Geschäftsmodelle und dabei eine Fokussierung auf die Transformation kundenorientierter Prozesse sowie die Digitalisierung operativer Prozesse. Dazu gehören zum Beispiel die Automatisierung von Routineaufgaben oder die Verfügbarkeit von Echtzeitdaten in wichtigen Kundenprozessen. Diese Entwicklung dürfte noch an Fahrt gewinnen.

 

 Vielen Dank für das Gespräch.

Die Fragen stellte Helge Sanden, Chefredakteur des IT-Onlinemagazins.

 

 

Beim Thementag 2020 zur Automatisierung mit SAP sind Maximilian Kleine-Brockhoff, Olaf Dölz (beide Winshuttle) und Ricardo Ullbrich (Blue Prism) Gäste eines Expert-Talks. Wir erfahren am Beispiel des SAP-Rechnungsprozesses, wie man Routineaufgaben automatisieren kann, in eingehenden E-Mails PDF-Rechnungen erkennt, Schlüsselinformationen extrahiert und Abgleiche und Buchungen in SAP vornimmt.

Finanzprozesse mit RPA automatisieren
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