SAP Business AI: „Daten smart zu kombinieren ist unser großer Differenzierer“

Michael Fuchs im Gespräch mit Dr. Philipp Herzig (rechts) | Foto: IT-Onlinemagazin

Michael Fuchs (Senior Analyst, IT-Onlinemagazin) spricht mit Dr. Philipp Herzig, CTO und Chief AI Officer bei SAP, über die Strategie hinter SAP Business AI. Wie können Kunden auf SAP Business AI zugreifen – und welchen Nutzen haben sie letztendlich davon? Welche Rolle spielen dabei die SAP Business Data Cloud sowie Partnerschaften mit Hyperscalern und KI-Spezialisten?

 

„SAP Business AI ist in die Geschäftsprozesse eingebettet und Out-of-the-Box nutzbar“

 

Michael Fuchs: Philipp, zum Ende unseres ersten Gesprächs hast du gesagt, dass es euer Job ist, Technologie verschwinden zu lassen – die Kunden sollen nur den Nutzen sehen. Was sagst du Entscheidern, wenn sie fragen, wie sie KI in ihren Unternehmen einsetzen sollen und vor allem, wie man mittels KI Geschäftsmodelle ausbauen kann? Stand-alone-AI, Agents, Plattformen – wie ordnet sich SAP Business AI hier ein und was ist das Besondere daran?

Philipp Herzig: Sehr wichtige Frage. Im Grunde sind es zwei zentrale Punkte. Erstens: SAP Business AI ist schlüsselfertig in den betriebswirtschaftlichen Anwendungen integriert. Man kann es einfach anschalten und loslegen – kein separates Installieren oder Integrieren, keine separate Plattform, sondern direkt ganzheitlich, von Anfang bis Ende in den Prozessen nutzbar, sozusagen Out-of-the-Box. Vor zwei Jahren, als es losging mit GenAI, fragte jeder: Haben wir den Zug verpasst, wird SAP abgehängt? Das habe ich nie gedacht. Denn uns war früh klar: Es gibt einerseits eine starke Standardisierung, etwa im Finanzbereich, im Personalwesen oder in der Lieferkette. Jetzt, wo es unsere Anwendungsszenarien bereits gibt, sagen viele Kunden: Wenn SAP das liefert, baue ich nicht selbst. Interessant bleibt natürlich, was SAP sonst noch auf der Roadmap hat. Andererseits brauchen einige Bereiche mehr Individualisierung, mehr „Customizing“. Diesen Teil decken wir mit Custom AI ab, etwa in der Forschung und Entwicklung eines Kunden aus der Fertigungsindustrie.

 

„SAP Business Data Cloud bringt Daten zusammen und kontextualisiert sie“

 

Die sofortige Nutzbarkeit ist also der eine Aspekt, der es unseren Kunden erleichtert, unsere KI zu nutzen. Der zweite: Jeder kann auf einer Plattform mit ChatGPT arbeiten. Vor zwei Jahren habe ich gesagt, dass Sprachmodelle zu einem gewissen Grad alltäglich werden – damals haben mich alle komisch angeschaut, heute ist es Fakt. Aber Kontextualisierung – also die geschäftsrelevanten Daten des SAP-Systems zu nutzen – das können sie nicht. Die Stärke von SAP Business AI liegt aber genau darin, die unstrukturierte Welt, also unterschiedliche Datenformate oder Ablageorte, und die strukturierte Welt der Geschäftsprozesse,  also Tabellen, Datenbanken, Formulare, smart zu kombinieren. Früher waren diese Welten klar getrennt, jetzt gelingt es, beide zu verbinden. Dadurch entsteht eine Wertschöpfung, die es durch die IT so bisher nicht gab.

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Je besser die Daten, desto besser die KI. Genau hier setzt die SAP Business Data Cloud an: Sie bringt Daten zusammen und kontextualisiert sie. Das ist unser differenzierender Faktor. So lassen sich Anwendungen schaffen, die vorher unmöglich waren. Und nicht zuletzt: Standardsoftware ist auch eine ökonomische Frage. Natürlich könnten die Unternehmen KI selbst bauen, sie hätten früher auch selbst ERP-Systeme programmieren können – aber warum sollte das sinnvoll sein, wenn sie mit SAP Business AI alles fertig und in ihre Prozesse eingebettet geliefert bekommen?

 

„KI reduziert Komplexität, erzeugt Speed und beschleunigt die Entscheidungsfindung“

 

Michael Fuchs: Wenn KI bereits nativ in den Ende-zu-Ende-Prozessen eingebettet ist, was bedeutet das dann für die Anwender? Führt das direkt zur kompletten Automatisierung oder ändert sich die Anwender-Rolle?

Philipp Herzig: Genau über dieses Thema sprechen wir viel zu selten. Historisch lag der Fokus stark auf Produktivität – also „more with the same“. Noch wichtiger ist aber: Wie kann ich schneller Entscheidungen treffen und tiefere Einblicke in die Geschäftsprozesse generieren? Ein Beispiel, das wir auf der diesjährigen SAP-Kundenveranstaltung Sapphire gezeigt haben: Wenn neue Zölle eingeführt werden, entsteht immense Arbeitslast. Man muss analysieren: Welche Zölle werden denn jetzt eigentlich eingeführt, in welcher Höhe, zwischen welchen Ländern? Das sind jedoch nur die allgemeinen Informationen, die jeder hat. Diese muss man dann in den Kontext des Unternehmens stellen: Wieviel Ware ist gerade unterwegs? Welche Produkte, welche Materialien von welchen Lieferanten sind betroffen? Im Umkehrschluss steht also die Frage: Wie kann ich hier vorgehen?

Bislang dauerte diese Analyse Wochen, mit vielen Präsentationen und Rückfrageschleifen. Mit Partnern wie Perplexity greifen wir jetzt auch auf öffentliche Informationen zu, gleichen sie mit SAP-Daten ab und bringen sie anhand der SAP-Planungsmodelle zusammen. Das ist genau das, was wir mit unseren Planning- und Risk-Agents machen. So entstehen Vorschläge, Simulationen und Strategien zur Umsetzung. Natürlich immer mit dem „Human-in-the- Loop“-Ansatz – der Mensch bleibt Entscheider. Aber die relevanten Rahmenbedingungen für die erforderlichen Maßnahmen liegen so nicht mehr erst in Wochen, sondern innerhalb von Minuten vor. Das führt zu viel schnelleren und besseren Entscheidungen, die sich positiv aufs Wachstum auswirken – und nicht nur auf Effizienzsteigerung.

 

„Unsere KI-Strategie beruht auf Partnerschaften – so können wir schnell agieren“

 

Michael Fuchs: Du hast es eben ja schon angesprochen: es gibt ja dennoch Bereiche, wo SAP nicht selbst aktiv werden will – welche Art von Partnerschaften wählt ihr, die SAP und ihre Kunden am weitesten nach vorne bringt?

Philipp Herzig: Es ist schwierig, sich auf wenige Beispiele festzulegen. Unsere gesamte KI-Strategie basiert heute stark auf Partnerschaften, und wir haben gute Partner: führende Anbieter von KI-Technologien, Beratungsunternehmen und unabhängige Softwareanbieter. Jeder bringt Stärken mit, die uns helfen, Technologie verschwinden zu lassen und uns auf den betriebswirtschaftlichen Mehrwert für unsere Kunden zu konzentrieren.

Weiterführende Informationen

In einem zweiten Interview sprechen Michael Fuchs und Dr. Phillip Herzig über den Werdegang des heutigen CTO und Chief AI Officer bei SAP. Zum Interview

Deswegen kann ich nicht sagen, dass es die eine herausragende Partnerschaft gibt. Jeder bringt etwas anderes Wichtiges mit, und wir picken uns heraus, was wir für das Endprodukt und für den Kunden brauchen. Diese Diversifikation erlaubt es uns, schnell zu reagieren. Ein Beispiel: GPT-5 erscheint, am nächsten Tag haben wir es neben all den anderen Sprachmodellen einsatzbereit in unserem generative AI hub. Vor zwei Jahren waren wir davon weit entfernt. Heute können wir direkt auf ein anderes LLM umsteigen und so die Kundenerfahrung verbessern – die große Stärke unserer Strategie. Man kann es wie Zutaten in einer Küche sehen: SAP-Ingenieure picken daraus das Beste heraus und stellen das Menü zusammen, das unsere Kunden à la carte nutzen können.

Michael Fuchs: Also war das der Schlüssel, um sich für solche Partnerschaften zu öffnen?

Philipp Herzig: Absolut. Das ist einer der Kernpunkte unserer Strategie – und der hat sich absolut ausgezahlt, vor allem auch in puncto Geschwindigkeit. Wir wurden anfangs oft gefragt: Warum baut SAP kein eigenes Sprachmodell? Wir setzen bewusst auf ein hybrides Modell, das externe KI-Modelle – und zwar immer das, das für das Anwendungsszenario beim Kunden am besten geeignet ist – mit unternehmensspezifischen Daten und Prozessen kombiniert. Wir bauen jedoch ein eigenes Foundation Model – dazu haben wir einige Forschungspapiere veröffentlicht und bei führenden Konferenzen vorgestellt, denn wir wissen genau, wo es Sinn ergibt, selbst in die Pflicht zu gehen.

SAP hat auch früher nicht Linux erfunden oder Hardware, Windows, DOS oder AIX. Wir haben betriebswirtschaftliche Anwendungen gebaut und waren kompatibel mit all diesen Betriebssystemen. Das war unsere Stärke. Und dieses Vorgehen überträgt sich nun auf den KI-Markt.

 

Compliance: „Qualität und Sicherheit stehen vor Schnelligkeit“

 

Michael Fuchs: Ein ganz wichtiger Punkt rund um KI ist das Thema Compliance, darauf muss jede Unternehmensführung achten. Wie stellt SAP sicher, dass Governance und Compliance im Griff bleiben?

Philipp Herzig: Das hat viele Aspekte. Ich versuche es mal auf drei zu reduzieren. Erstens: Kontextualisierung. Alles, was die Unternehmen in Sicherheit, Datenschutz usw. investiert haben, bleibt erhalten. Die SAP-Business-Architektur berücksichtigt das – ein großer Vorteil. Zweitens: Bei den neuen Themen durch KI – KI-Ethik, EU AI Act, Standards – sind wir vorne mit dabei. Jeder unserer mittlerweile fast 300 KI- Anwendungsfälle – bis zum Jahresende übrigens 400 – durchläuft einen Prozess, geprüft von Chief Security Officer, Chief Data & Privacy Officer und der Rechtsabteilung. Drittens: Wir haben die ISO-42001-Zertifizierung für KI-Governance und wichtige SAP Business AI-Produkte erhalten, die belegt, dass KI von der Entwicklung bis zur Implementierung verantwortungsvoll erfolgt.

Wir haben ein starkes IT-Sicherheit- und Datenschutz-Team, das sich etwa mit kontrollierten, simulierten Angriffen beschäftigt. Aus ethischer, Sicherheits- und Datenschutz-Sicht können wir uns keine Fehler leisten.

Michael Fuchs: Das ist ja auch die Sicherheit, die der Markt spüren muss – dass SAP im Hinblick auf Compliance nachhaltige Lösungen schafft.

Philipp Herzig: Genau. Das sage ich auch den Teams: Qualität und Sicherheit stehen vor Schnelligkeit. Vielleicht sind wir an der einen oder anderen Stelle etwas langsamer, aber dafür ordentlich und nachhaltig. Qualität ist uns extrem wichtig.

 

„Der Gradmesser für den Erfolg unserer KI ist die Adoption beim Kunden“

 

Michael Fuchs: Abschließende Frage: Wenn du jetzt 18 Monate nach vorne schaust – wann würdest du aus Deiner Sicht von einer erfolgreichen SAP Business AI-Strategie sprechen?

Philipp Herzig: In diesem Umfeld sind 18 Monate schon lang. Mein Erfolgsmesser ist die Adoption beim Kunden. Wir haben heute schon mehr als 34.000 Kunden, die KI von SAP nutzen. Das ist gut, aber ich wünsche mir noch viel mehr Durchdringung – einen echten Wandel, eine intellektuelle Transformation –, so dass KI wirklich in Unternehmen gelebt wird. Und eine weitere Ambition ist, KI auch im Bildungs- und öffentlichen Bereich voranzutreiben – besonders in Europa.

Michael Fuchs: Philipp, dann danke ich Dir ganz herzlich für unser Gespräch und die von Dir gewährten Einblicke.

 

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