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SAP EWM und SAP TM: Wie gelingt die Integration im Auftragsabwicklungsprozess?

„Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile“ heißt es oft, wenn erst die Vernetzung von Einzelfaktoren den entscheidenden Mehrwert bietet. Das gilt insbesondere für das Zusammenspiel der SAP-Lösungen SAP Extended Warehouse Management (SAP EWM) und SAP Transportation Management (SAP TM). „Erst wenn diese beiden Komponenten perfekt synchronisiert arbeiten, ergibt sich aus logistischer Sicht ein reibungsloser Auftragsabwicklungsprozess“, sagt Martin Ochs (FIS Informationssysteme und Consulting GmbH | Foto). In seinem Gastbeitrag erklärt er, warum das so ist und wie Unternehmen von der Kombination der beiden SAP-Logistiklösungen konkret profitieren können.

Abstimmungsprobleme im Auftragsprozess 

Kundenauftrag – Lieferung – Kommissionierung – Verpackung – Transportplanung – Transportausführung – Fakturierung: So lässt sich ein Auftragsabwicklungsprozess in SAP vereinfacht beschreiben. Dabei ist mit „Lieferung“ nicht der physische Lieferprozess gemeint, sondern der SAP-Folgebeleg des Kundenauftrags, der die Grundlage für weitere Prozessschritte bildet. Wenn jetzt die Transportplanung nicht mit der Lagerwirtschaft kommuniziert, können folgende (beispielhafte) Konstellationen eintreffen:

  • Die Ware wird kommissioniert, gepackt und bereitgestellt, obwohl die Ausführung des Transports zu einem ganz anderen Zeitpunkt erfolgt.
  • Ein Transport ist geplant, ein eigenes Fahrzeug oder ein Speditionsfahrzeug warten an der Rampe und die Ware steht nicht bereit.
  • Die bereitgestellte Ware überschreitet oder unterschreitet die Transportkapazitäten des Fahrzeugs.

 

Transportplanung und Lagerwirtschaft ohne SAP-Integration

Grundlage der Transportplanung ist immer eine Frachteinheit – dies ist die kleinste, unteilbare Einheit, die transportiert wird. Diese Frachteinheiten werden, vereinfacht dargestellt, entweder aus Kundenauftragspositionen (auftragsbasierte Planung) oder aus Lieferpositionen (lieferbasierte Planung) in SAP TM gebildet. Der Disponent plant dann genau diese Frachteinheiten in einen Frachtauftrag.

Auftragsbasierte Transportplanung Lieferbasierte Transportplanung

Der Frachtauftrag bildet somit die Summe aller Frachteinheiten, die gemeinsam transportiert werden – entweder durch den eigenen Fuhrpark oder durch eine Spedition. Es besteht die Option, innerhalb eines Frachtauftrags sogenannte Sendungen zu bilden. Diese können genutzt werden, um Transportanforderungen gemäß diversen Kriterien zu gruppieren. Bis zum Release S/4HANA 2022 war dies nur mit einem Frachtauftrag möglich. Die Sendung wird ähnlich wie eine Frachteinheit dem Frachtauftrag zugeordnet. Aus Kostenberechnungs- und Abrechnungssicht ist es hilfreich, dass die Kostenberechnung nun entweder auf der Grundlage des Frachtauftrags oder der Sendung berechnet werden kann. Die Abrechnung über die Sendung wird vor allem im Bereich von Stück- und Sammelgut Vorteile bieten können, da so eine Abgrenzung zum physischen Transport geschaffen wird, welcher immer noch mit dem Frachtauftrag abgebildet wird.

In der Lagerwirtschaft dagegen stellt die Auslieferung die einzige Grundlage für den Kommissionierprozess dar. Der Auslieferungsauftrag ist eine Kopie der Auslieferung, der durch den Lagerarbeiter bearbeitet wird und abschließend auf ERP-Ebene in Form der Warenausgangsbuchung und Handling Units fortgeschrieben wird. Bedeutet: Ohne Integration von Lagerwirtschaft und Transportplanung lassen sich also zwei völlig selbständige Logistikplanungen darstellen, die sich im Extremfall sogar widersprechen können.

 

Integration über Transporteinheiten

Der ursprüngliche Lösungsansatz stellte die Verbindung von SAP TM zu SAP EWM über das SAP EWM-Objekt „Transporteinheit (TE)“ her. Dies ist die kleinste beladbare Einheit, die zum Transportieren von Waren verwendet wird. Eine Transporteinheit kann ein LKW sein, ein Anhänger, ein Seefrachtcontainer oder auch ein Wagon eines Zugs.

LDAP

Die Integration findet wie folgt statt: Entweder führt der Kundenauftrag oder die Auslieferung zur Bildung von Frachteinheiten, die dann auf einen Frachtauftrag geplant werden. Über die LDAP-Schnittstelle (LDAP = Loading Appointment) werden in SAP EWM dann Transporteinheiten gebildet – quasi das EWM-Gegenstück zum Frachtauftrag.

Die Lageraufgaben zur Kommissionierung werden quittiert, die Packstücke in der Transporteinheit fortgeschrieben und über die LDAP-Schnittstelle in den Frachtauftrag repliziert.

Dieser Ansatz hat sich in der Praxis nur bedingt durchsetzen können. Einerseits zeichnet sich diese Integration über Transporteinheiten durch geringe Flexibilität und Anpassbarkeit an Kundenanforderungen aus. Andererseits monierten Anwenderinnen und Anwender die asynchrone und nicht immer stabile Schnittstelle sowie die herausfordernde Bedienung.

 

Integration mittels „Advanced shipping & receiving” (ASR)

Die ASR-Integration (deutsch: Erweiterter Warenannahme- und Versandprozess) stellt seitens SAP die neueste Form der Integration zwischen SAP TM und SAP EWM dar. Neue Integrationsarchitektur über ASRDieses Szenario basiert auf sogenannten background RFCs (bgRFC) und bietet dadurch einen Echtzeitaustausch zwischen SAP TM und SAP EWM.

Ein Vorteil dieser Integration ist, dass keine redundanten Business Objekte benötigt werden. Stattdessen wird direkt mit  dem jeweiligen Objekt aus SAP TM, dem Frachtauftrag, gearbeitet. Die Transporteinheit kann komplett entfallen – die Integration findet direkt über den Frachtauftrag statt. Zusätzlich bietet diese Variante der Integration über die App “Frachtaufträge laden und entladen” die Möglichkeit, aus dem SAP TM heraus SAP-EWM-Aktivitäten durchzuführen, wie z.B. die Buchung des Warenausgangs. Auch die Zuweisung und das entsprechende Laden an Lagertoren ist durch die Integration plan- und ausführbar.

Mit dieser neuen Integrationsarchitektur sind jetzt alternative Arbeitsweisen möglich:

 

Alternative 1: Lagergesteuertes Szenario

Im lagergesteuerten Szenario ist die Lagerabwicklung zunächst nicht gesperrt, und die Transportplanung findet entweder parallel zur Lagerabwicklung oder danach statt. Dieses Szenario kann verwendet werden, wenn beispielsweise ein technischer Großhändler täglich Aufträge erhält, die innerhalb der nächsten 24 Stunden versendet werden. Hier dominiert die Lageraktivität die Transportplanung, da die kurze Zeitspanne zwischen Auftragseingang und Auslieferung keine langfristige Transportplanung erlaubt.

Mit der Erstellung der Auslieferung werden zeitgleich eine Frachteinheit in SAP TM als auch ein Auslieferungsauftrag in SAP EWM gebildet. Nachdem die Kommissionier-Lageraufgaben quittiert sind, können die Waren in Versand-Handling-Units (Versand-HUs) in EWM gepackt werden. Hier findet je nach Systemkonfiguration bereits ein Update auf die Lieferung statt. Sobald die Versand-HUs fertiggestellt und zum Laden bereitgestellt wurden, kann der Versandbereitschaftsstatus in SAP EWM auf „9 – Bereit“ gesetzt werden. Das System aktualisiert dann über die ASR-Schnittstelle die Frachteinheit in SAP TM mit den gepackten HUs.

In TM wird (mit diesen HUs) ein Frachtauftrag erstellt, auf den die für den Versand bereiten Frachteinheiten geplant werden. Wenn einige der Frachteinheiten dem Frachtauftrag nicht zugeordnet werden, wird gegebenenfalls ein Auslieferungsauftragssplit ausgelöst.

Graphisch nicht mehr dargestellt sind folgende Schritte: Sobald der Frachtauftrag erstellt ist und den Status „Bereit für Transportausführung“ hat und die Auslieferungsaufträge als „Für Versand bereit“ gekennzeichnet sind, kann in SAP EWM das Laden über die App „Frachtaufträge laden oder entladen“ oder mit einem mobilen Endgerät durchgeführt werden. Ist das Laden abgeschlossen, werden die Informationen der Lageraktivitäten in den Frachtauftrag in TM mit einer entsprechenden Statusänderung übertragen.

 

Alternative 2: Transportgesteuertes Szenario

Im transportgesteuerten Szenario dagegen wird die Lagerabwicklung zunächst gesperrt, und die Transportplanung findet ganz oder teilweise statt, bevor die Lagerabwicklung beginnt. Diese Vorgehensweise eignet sich daher besonders für Unternehmen, bei denen zwischen Auftragserfassung und physischer Auslieferung ein entsprechend großer Zeitraum für die Transportplanung existiert. Der Transport steuert somit die Lageraktivitäten.

Transportgesteuertes Szenario

Der Prozess kann wie folgt ablaufen: Grundlage für die Transportplanung sind erneut Frachteinheiten, die im Beispiel aus Kundenauftragspositionen gebildet werden. Alternativ lassen sie sich auch aus Lieferpositionen bilden. Diese Frachteinheiten werden auf Frachtaufträge – und optional Sendungen – geplant.

Ist die Transportplanung abgeschlossen, kann durch Setzen eines Status im Frachtauftrag die Lieferanlage angestoßen werden. Diese Lieferungen werden als Auslieferungsaufträge an das SAP EWM übergeben. Allerdings bleiben diese so lange für die Abarbeitung gesperrt, bis eine Freigabe in SAP TM erfolgt. Damit ist sichergestellt, dass die Transportplanung vor der Kommissionierung und dem Verpacken abgeschlossen ist. Die Ergebnisse werden in der Auslieferung und dem Frachtauftrag fortgeschrieben. Die weitere Prozessfolge entspricht der vorherigen Variante der lagergesteuerten Ausführung.

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Einschränkungen der ASR-Integration

Die ASR-Integration steht aktuell dann zur Verfügung, wenn

  1. sowohl SAP EWM und SAP TM als embedded Komponenten in SAP S/4HANA betrieben werden oder
  2. SAP EWM und SAP TM auf einer Instanz dezentral betrieben werden.

Ein hybrides Szenario, bei dem eine der beiden Komponenten embedded und eine Komponente dezentral betrieben werden, wird nicht unterstützt. Darüber hinaus gilt es zu beachten, dass das häufig von Kunden geforderte lieferübergreifende Verpacken aktuell ebenfalls noch nicht unterstützt wird. Dies ist hingegen bei der TU-Integration möglich. SAP plant jedoch, künftig auch diese Funktion für die ASR-Integration bereitzustellen.

 

Über den Autor:

Ochs MartinMartin Ochs ist Team Manager Warehouse & Transport Solutions bei FIS Informationssysteme und Consulting GmbH. Mit mehr als 25 Jahren SAP-Erfahrung als Berater, Projektleiter, Solution Architect und Team-Manager begeistert ihn die Integration von Beschaffungs-, Lager-, Produktions- und Vertriebsprozessen in einer nahtlosen Supply Chain. Seine besondere Leidenschaft gilt dabei anspruchsvollen, globalen Roll-Out-Strategien mit Template-Ansätzen.

 

 

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