Rund jedes zweite SAP-Anwenderunternehmen steht laut DSAG Investitionsreport 2024 beim Umstieg auf SAP S/4HANA noch ganz am Anfang. Ein Dilemma, das dringend gelöst werden muss. Neben finanziellen und architektonischen Fragen ist häufig auch das richtige Know-how ein limitierender Faktor. Während Unternehmen händeringend nach kompetenten SAP-Expertinnen und -Experten für die Transformation suchen, können diese oft aus der Vielzahl der Angebote die besten auswählen.
Doch wie erkennt man besonders attraktive Teams und Projekte? Bernd Böckenhoff, Geschäftsführer bei der dr. Fuchs Personalberatung (Foto), erklärt in seinem Gastbeitrag für das IT-Onlinemagazin, welche Faktoren ein S/4HANA-Projektteam erfolgreich machen und wie man als SAP-Spezialist beurteilt, ob es Chancen für das eigene technologische und persönliche Wachstum bietet.
Erfolgreiche S/4HANA-Transformationen: mehr als nur technisches Know-how
Erfolgreiche SAP-Implementierungen erfordern mehr als nur technisches Fachwissen. Dies gilt besonders für die S/4HANA-Transformation, bei der es nicht allein um die Implementierung neuer Software geht. Die Ablösung der etablierten SAP-Modulwelt durch End-to-End-Prozesse bedeutet einen tiefgreifenden Wandel.
Für SAP-Experten und -Expertinnen eröffnen sich damit sowohl Herausforderungen als auch Chancen. Zum einen profitieren sie davon, dass der Bedarf an SAP-Fachkräften höher ist als je zuvor (lesen Sie dazu auch diesen Artikel). Zum anderen bietet der Wandel ihnen aber auch spannende Möglichkeiten, um die eigene Karriere gezielt weiterzuentwickeln und neue Karrierewege zu erschließen.
Denn leistungsstarke Transformationsteams benötigen eine vielseitige Mischung aus Hard- und Softskills. Dazu gehören:
- Technische Kompetenz: Tiefe SAP S/4HANA-Expertise, Kenntnisse in der Datenmigration und Integrationsfähigkeit
- Fachwissen: Branchenspezifische und allgemeine Geschäftsprozesse sowie Change-Management-Kompetenz
- Projektmanagement-Fähigkeiten: Erfahrung in umfangreichen Projekten sowie Know-how in agilen Methoden.
- Soft Skills: Kommunikationsstärke, Teamfähigkeit und Problemlösungskompetenz, Change Management
Der aktuelle Markt bietet für erfahrene SAP-Expertinnen und -Experten hervorragende Möglichkeiten. Ihre Expertise ist gefragter denn je. Entsprechend sinnvoll ist es für SAP-Spezialisten, sich explizit die Projekte auszusuchen, bei denen sie ihr Wissen und ihre Erfahrungen optimal einbringen und ihre eigenen Karrierepläne vorantreiben können.
Herausforderung: Engpass bei SAP-Spezialisten
Um in der Eile Transformationsteams zu besetzen, wählen Unternehmen oft intern verfügbare Mitarbeitende mit dem vorhandenen Skill-Set. Was aber, wenn das Projekt nun andere Fähigkeiten erfordert? Die Folgen einer Fehlbesetzung im Teilprojekt können – sogar für das komplette Projekt – dramatisch sein – etwa, wenn Schiefstände im Teilprojekt aufgrund des fehlenden Spezial-Know-hows den gesamten Projektplan verzögern. Eine mangelnde eigene Verfügbarkeit von Ressourcen kann darüber hinaus in eine große Abhängigkeit von SAP-Integratoren münden.
Gerade weil die Zusammenstellung leistungsfähiger SAP-Transformationsprojektteams eine strategische Kombination unterschiedlicher Fähigkeiten erfordert, sollten auch Unternehmen das Staffing sorgfältig planen. Eine neutrale Analyse im Rahmen einer Vorstudie stellt dafür die Weichen. Sie klärt, welche Skills vorhanden sind, welche fehlen und wie man diese Lücken füllen könnte. Neben strategischen Vorteilen in Bezug auf die Planung des Projektes schafft sie auch für das Recruiting Klarheit darüber, welche Rollen im Projekt benötigt werden. Zudem werden in der Vorstudie Projektziele, Rahmenbedingungen und zeitliche Vorgaben festgelegt.
Wichtig: Wenn man über eine Vorstudie die Mitwirkungspflichten des Unternehmens definiert, muss darüber auch klar werden, ob das Unternehmen diese tatsächlich fachlich und personell leisten kann.
Die richtige personelle Mischung macht den Transformationserfolg
Und auch für die Personalentwicklung schafft eine solche Ist-Analyse wichtige Leitplanken. Gemeinsam mit den Mitarbeitenden kann das Unternehmen daraus ableiten, ob die Projektziele und Rahmenbedingungen des Unternehmens zu den jeweiligen Skills und beruflichen Vorstellungen passen. Angestellten Spezialisten bietet die Vorstudie zudem Ansatzpunkte, um in Abstimmung mit der Personalabteilung eine persönliche Roadmap für die eigene Weiterentwicklung zu definieren. Die entsprechenden Meilensteine dafür liefert im Idealfall das strategische Personalentwicklungskonzept des Unternehmens.
Projektplanung und Besetzung
Ein häufig genutzter Ansatz beim Staffing von Transformationsteams ist eine Methodik wie beispielsweise die SAP Activate Methodology. Damit lässt sich der gesamte Projektlebenszyklus in klar definierte Phasen unterteilen (Strategie und Vorbereitung, Planung, Implementierung, Betrieb). Durch diese strukturierte Herangehensweise können Unternehmen auch bei der Zusammenstellung von Transformationsteams sicherstellen, dass sie über die richtigen Fähigkeiten zur richtigen Zeit verfügen. Risiken von Fehlbesetzungen und Projektverzögerungen lassen sich so minimieren.
Bei der Kapazitätsbewertung sollten Unternehmen überlegen, ob die Ressourcen fest benötigt werden und ggf. aus dem bestehenden Personalpool besetzt werden können. Oder ob es sich empfiehlt, dauerhaft oder temporär auf externe Experten oder Interim Manager zurückzugreifen. Dabei sollte im Vordergrund stehen, das Schlüssel-Know-how langfristig im Unternehmen zu sichern.
Egal, für welche Option sich Verantwortliche entscheiden: Ein gut strukturiertes Onboarding-Programm ermöglicht internen wie externen Mitarbeitenden einen optimalen Start. Dazu gehört, sie mit Projektzielen, Methoden, Tools und Kommunikationskanälen vertraut zu machen und Möglichkeiten für Wissenstransfer, regelmäßigen Austausch und Peer-Learning zu etablieren.
Produkt- und Datenwissen als Transformations-Fundament
Unverzichtbar für ein SAP S/4HANA Transformationsteam: Experten, die die SAP S/4HANA-Architektur, ihre Funktionen und technischen Anforderungen genau kennen. Diese Fachkräfte sollten Erfahrung mit früheren Implementierungen haben und in der Lage sein, die besonderen Herausforderungen und Möglichkeiten von S/4HANA zu verstehen und zu nutzen. Das stellt vor allem „alte SAP-Füchse“ zuweilen vor grundlegende Herausforderungen: Wer sich bei R3 als Modulexperte bewährt, und umfangreiches Know-how aufgebaut hat, muss nun lernen, in Prozessen zu denken.
Der Erfolg des S/4-Umstiegs steht und fällt zudem mit dem Thema Datenmigration: Um bestehende Daten korrekt und effizient in die neue SAP S/4HANA Umgebung zu überführen, braucht es deshalb ausgewiesene Spezialisten, die bestehende Daten bereinigen, transformieren und laden – und zugleich gewährleisten, dass während des gesamten Migrationsprozesses die Datenintegrität und -konsistenz sichergestellt bleiben.
Integrationsspezialisten und agile Methoden unterstützen den Umstieg
Integrationsspezialisten spielen ebenfalls eine entscheidende Rolle. Sie kümmern sich darum, dass SAP S/4HANA nahtlos in die bestehenden Prozesse, Systeme und Anwendungen des Unternehmens integriert wird. SAP-Experten und -Expertinnen mit tiefem Wissen in Geschäftsbereichen wie Finanzen, Logistik, Vertrieb und Produktion sind ebenfalls gefragt. Sie stellen die Weichen, um bestehende Abläufe und Workflows zu evaluieren und neue Geschäftsprozesse zu etablieren.
Neben dem klassischen Vorgehen (Wasserfall-Methode) kann es in einzelnen Projektbereichen sinnvoll sein, agile Methoden in SAP S/4HANA Projekten einzusetzen. Sie ermöglichen dem Team, flexibel auf Herausforderungen zu reagieren, kontinuierliche Verbesserungen zu fördern und die Lieferung von Teilergebnissen sicherzustellen. Methoden wie Scrum und Kanban sollten dann im Repertoire der Projektmanager und Teammitglieder vorhanden sein.
Gute Kommunikation: Ein Muss in S/4HANA-Projekten
S/4HANA macht aus Soft Skills Core Skills: Denn effektives Change- und Stakeholder-Management zählen bekannterweise zu den wichtigsten Faktoren für einen erfolgreichen Umstieg. Es gilt sicherzustellen, dass tatsächlich alle relevanten Parteien – von der Geschäftsführung bis zu den Endbenutzern – in den Transformationsprozess eingebunden sind, und ihre Bedürfnisse adäquat berücksichtigt werden. Dies erfordert regelmäßige und passgenaue Kommunikation, Transparenz sowie die aktive Einbindung der Stakeholder in Entscheidungsprozesse – sprich: Teammitglieder mit ausgeprägten Kommunikations-Fähigkeiten.
In technischer Hinsicht zählt eine Fit-/Gap-Analyse zum „Kleinen Einmal-Eins“ jeder Transformation. Bei einer S/4HANA-Transition kommt es aber auch darauf an, Diskrepanzen innerhalb des Projektteams zu vermeiden. Entsprechend wichtig ist es, dass interne und externe Teammitglieder die Unternehmenswerte verstehen und diese in ihrer täglichen Arbeit widerspiegeln.
Schlagkräftige Transformationsteams: Mehr als die Summe ihrer Teile
All das zeigt: Leistungsstarke SAP-Projektteams lassen sich nicht einfach per Power-Point-Chart zusammenstellen. Sie müssen gefördert, unterstützt und inspiriert werden, außergewöhnliche Ergebnisse zu liefern. Für SAP-Fachkräfte bedeutet dies, dass sie nicht nur ihre technischen Fähigkeiten einbringen, sondern auch in einer Umgebung arbeiten können, die ihre berufliche Entwicklung und persönlichen Ziele fördert.
Die Investition in die richtige Teamzusammenstellung und die Berücksichtigung der beschriebenen Faktoren sind entscheidende Schritte, um die Vorteile von SAP S/4HANA voll auszuschöpfen und nachhaltige Geschäftserfolge zu erzielen. Dabei müssen die Bedürfnisse und Anliegen jedes Einzelnen eng mit denen des gesamten Projektteams abgestimmt sein. Wie im Fußball gilt: Einzelkönner sind wichtig – aber der Star ist die Mannschaft. Wer sorgfältig abwägt und das richtige Team wählt, kann seine Expertise voll ausschöpfen, kontinuierlich erweitern und seinen Marktwert kontinuierlich steigern.