Viele SAP-Kunden sehen ihre S/4HANA-Transformation noch immer als in erster Linie ein Softwareprojekt an. Technologie ist jedoch nur die eine Seite der Medaille, eine erfolgreiche Transformation muss andererseits auch richtig vorbereitet und organisiert werden. Die 22. IT-Onlinekonferenz widmet sich vom vom 29. September bis 02. Oktober intensiv diesen Aspekten.
Vertragsverhandlungen sorgfältig vorbereiten
Es geht mit den Vertragsverhandlungen los. RISE with SAP und GROW with SAP stellen wichtige Weichen und Leitplanken für den Weg in die neue SAP-Welt. Dennoch verbleiben zahlreiche Fragen kommerzieller Natur sowie zu Standardisierung und Flexibilität des neuen Systems, Kostenkontrolle und vielem mehr. Sie gilt es mit SAP zu verhandeln, damit am Ende ein Vertrag herauskommt, der den eigenen Ansprüchen und Vorstellungen hinsichtlich, Prozessen und Finanzen genügt – eben eine ganzheitliche Planung. „Viele Unternehmen unterschätzen die kommerziellen Auswirkungen der RISE-Journey – wer nicht vorbereitet ist, verliert in der Verhandlung schnell an Flexibilität und Kontrolle“, warnt EY Consulting-Manager Domenik Wehling.
Auch an den jeweils eigenständigen Lizenzmodellen, Vermessungsprozessen und Berechtigungskonzepten der seit 2025 um die Public und Private Cloud Edition erweiterten SAP Business Suite zeigt sich: Was auf den ersten Blick technisch klingt, hat direkte Auswirkungen auf die Lizenzstrategie und -kosten der Unternehmen. Natürlich möchte jeder einer Übernutzung entgegensteuern. „Deshalb wird ein Monitoring der Verbräuche mit den neuen Lizenzmodellen in der Cloud unerlässlich“, rät Anja Andres, SAP-Fachvertrieb und SAP Lizenzmanagement der q.beyond AG.
Passenden Migrationspfad wählen
Wie der Weg zu SAP S/4HANA konkret gestaltet wird, ist selbstverständlich ebenfalls ein wichtiger Aspekt für den Umstieg. Allerdings hat laut NTT-DATA-Transformationsstudie 2025 knapp ein Drittel der SAP-Anwender noch keinen klaren Migrationspfad definiert. „Unsicherheiten über Zielbild, Nutzen und internen Aufwand führen dazu, dass notwendige Entscheidungen vertagt werden. Was oft fehlt, ist ein klarer und entlastender Rahmen, der Orientierung, Transparenz, Machbarkeit und Mehrwert liefert“, betont Jan C. Schnier, Head of Division Service Delivery Management Managed Services bei NTT DATA Business Solutions.
Bestehende Prozess-Schwachstellen ermitteln
Und weil schlechte Prozesse nach einem Umzug auf S/4HANA nicht automatisch besser werden, empfiehlt es sich, sie schon vorher zu optimieren. In vielen Projekten rückt dies jedoch erst spät in den Fokus – mit dem Risiko, wertvolle Potenziale ungenutzt zu lassen, beobachtet Marius Thelo, Business Transformation Advisor bei SAP Signavio.
Software für das Geschäftsprozessmanagement kann helfen, Optimierungsmöglichkeiten frühzeitig zu erkennen. Sie analysiert beispielsweise den Ist-Zustand des Order-to-Cash-Prozesses während der Transition hinsichtlich Prozessbrüchen und manuellen Arbeitsschritten, macht so Schwachstellen sichtbar und leitet gezielte Verbesserungsmaßnahmen ab.
Organisatorische Weichen stellen
Zum Ballast, den man besser über Bord wirft, gehört neben den Prozessen natürlich noch mehr: unnütze Daten, veraltete Systemkomponenten und Custom Code von gestern. Kosten, Geschwindigkeit und Effizienz einer Cloud-Transformation beeinflusst es entscheidend, wenn man sich entsprechender Altlasten entledigt. „Die Cloud ist kein Speicherplatz für die Vergangenheit, sondern der Ort für neue Geschäftsmodelle. Alte Daten ohne Relevanz haben dort nichts verloren“, so Nina Seiler, Consulting Director bei cbs.
Zudem gilt es die Entwicklung und Administration von Anwendungen über ihren Lebenszyklus hinweg, kurz Application Lifecycle Management (ALM) sicherzustellen. Bislang kam dafür die Toolsammlung SAP Solution Manager zum Einsatz, deren Wartung allerdings bekanntlich 2027 ausläuft (erweiterte Maintenance bis 2030). Nachfolger SAP Cloud ALM ist bereits am Markt platziert und wird von Kundenseite bisher gut angenommen.
ALM ist für eine erfolgreiche digitale Transformation wichtig. Denn das Gros der Unternehmen wird voraussichtlich auch künftig auf hybride Landschaften setzen, anstatt SAPs Cloud-Only-Strategie konsequent mitzugehen. Dass zwischen der Cloud-Strategie von SAP und der operativen Wirklichkeit vieler Kunden oft eine Lücke klafft, bestätigt Torsten Thal, Customer Success Manager bei SAP-Partner Realtech. Er geht davon aus, dass hybride Landschaften und etablierte Prozesse noch für Jahre eine große Rolle spielen werden. „Gefragt sind deshalb Lösungen, die sich realistisch in diese Strukturen einfügen – auch nach dem Wartungsende des SAP Solution Managers“, so Thal. Er empfiehlt SAP-Anwendungsunternehmen deshalb, ihre SAP-Change-Prozesse in ITSM-Tools wie Jira oder ServiceNow zu integrieren.
Vom reinen IT-Projekt zum Wachstumstreiber
All das zeigt: Der Wechsel auf S/4HANA verlangt weit mehr als technisches Know-how. Vertragsgestaltung, Lizenzstrategie, Kostenkontrolle, Prozessoptimierung und Datenhygiene müssen von Beginn an zusammen gedacht werden. Erst wenn Altlasten beseitigt, hybride Realitäten realistisch eingeplant und Technologie eng mit Organisation und Strategie verzahnt werden, kann sich das Potenzial der Transformation voll entfalten.