Bei den Technologietagen der Deutschsprachigen SAP-Anwendergruppe e. V. (DSAG) vom 6. bis 7. Februar 2024 im Congress Center in Hamburg, werden unter dem Motto „Black Box – From Vision to Reality“ drängende Fragen zu aktuellen technologischen Entwicklungen thematisiert und beantwortet. Neue Produkte, Services und leistungsfähigere Hardware sind die sichtbaren Auswirkungen des digitalen Wandels – aktuell überlagert vom allgegenwärtigen Hype um die Künstliche Intelligenz (KI). Ankündigungen und Produktvisionen der Software-Hersteller gibt es dazu viele. Wie eine konkrete Lösung aussehen soll, ist jedoch oftmals noch eine „Black Box“. Das erschwert es den Unternehmen, die in diese neuen Technologien investieren wollen, klar zwischen Vision und Realität bzw. zwischen Sales und nutzbarer Software zu unterscheiden. Die Technologietage laden zur technologischen Debatte ein und sorgen für Klarheit.
DSAG-Technologietage 2024 in Hamburg
Das Thema Künstliche Intelligenz steht bei SAP, wie bei allen Softwareanbietern und Hyperscalern, aktuell ganz oben auf der Agenda. Die von SAP bereits erfolgten, kommerziellen Ankündigungen sind mit der technischen Realität hierbei nur bedingt deckungsgleich. Dass zukünftig Innovationen wie KI nur noch via SAP-RISE-Premium-Angebot zu beziehen sein werden, steht den technischen Möglichkeiten, Large-Language-Modelle (LLM) auch außerhalb von RISE integrieren zu können diametral entgegen. Die zugehörige Bekanntgabe des Generative AI Hub auf der SAP TechEd unterstützt diese technische Realität, so dass die kommerziellen Äußerungen aus Sicht der DSAG wenig hilfreich sind und die Kunden zusätzlich verunsichern. „Der Option für LLM-Modelle folgend, sollte KI grundsätzlich außerhalb von RISE with SAP integrierbar sein“, ist Sebastian Westphal, Fachvorstand Technologie der DSAG, überzeugt.
Zum Thema KI gehört auch die Ankündigung von SAP Joule, einem digitalen Assistenten auf Basis generativer KI, der natürliche Sprache nutzt. Joule soll sukzessive in das gesamte SAP-Cloud-Portfolio integriert werden und proaktive und kontextbezogene Erkenntnisse aus SAP-Lösungen und Drittanbieter-Quellen bieten. Hier ist für die Kunden wichtig, zeitnah technologisch tiefere Einblicke zu erhalten, z. B. dahingehend, wie das Tool über die Einbettung in SAP-Applikationen hinaus konsumiert werden kann. Aber auch hinsichtlich der Möglichkeiten zur Entwicklung architekturübergreifender Einsatzszenarien braucht es ebenso mehr Informationen wie in Bezug auf die Auswirkungen auf das heutige SAP Analytics-Portfolio. Die avisierten Funktionalitäten besitzen durch sprachgesteuerte Abfragen das Potenzial, die heutigen Reportinglandschaften grundlegend zu verändern.
Serviceübergreifende BTP-Strategie
Der Blick in die Black Box beim Thema SAP Business Technology Platform (BTP) offenbart, dass eine serviceübergreifende Strategie sowie eine Konsistenz über alle BTP-Services und deren Zusammenspiel hinweg immer noch fehlt. Monitoring und Logging, Line-of-Business (LoB)-Services und BTP Core Services erscheinen wie verschiedene Welten, ohne Zugriffsstrategie vom SAP-Support auf die LoB-Services, ohne einheitliche Übersicht der BTP-Services inklusive Verfügbarkeit in den Preislisten und ohne durchgängige Cloud-Identity-Management-Strategie. „SAP muss eine einheitliche Strategie des Zusammenspiels von LoB- und BTP-Core-Services konsequent erarbeiten und zeitnah liefern“, so Sebastian Westphal. In einem ersten Schritt arbeiten DSAG und SAP bereits eng zusammen in einer Initiative zum Umgang mit individuellen Erweiterungen und neuen Anwendungen im Kontext der CleanCore-Strategie, sowie bei der Überarbeitung des zugehörigen SAP Extensibility Guides und einer kontinuierlichen Verbesserung des BTP Best Practice Guides. Ein wichtiger Ansatz, den es auszubauen gilt.
Zukunftsorientiert zu gestalten wären auch nach wie vor die Kostensituation und Lizenzierungsthematik bezüglich der BTP. „Der BTP fehlt eine Preisreduzierung für die nicht-produktive Nutzung – auch, um die Ziele einer hohen Adaption durch die Anwendungsunternehmen zu erreichen. Überhaupt ist die Kalkulation teilweise schwierig zu verstehen, da sie je nach Service variiert und durch die Einführung zusätzlicher Credits für KI-basierte Services weiter verkompliziert wird“, fasst Sebastian Westphal eine Forderung in diesem Bereich zusammen.
SAP-Security – es fehlen noch klare Aussagen
Aus der Black Box befreit werden muss auch das Thema Security, das durch die neuen Möglichkeiten durch KI immer dringlicher wird. Nutzen doch die Angreifer:innen ebenfalls gezielt die Potenziale Künstlicher Intelligenz, um schneller, effizienter und automatisiert Angriffe durchführen zu können. Die DSAG befindet sich mit SAP seit geraumer Zeit bezüglich eines Security-Dashboards im Austausch aber nach wie vor scheint es nicht möglich, mit der SAP Analytics Cloud (SAC) ein Dashboard für die mittelständischen Kunden bereitzustellen.
„SAP hat bislang erste Schnittstellen (APIs) geliefert, was für die Großkonzerne zunächst einmal begrüßenswert ist. Letztlich aber sollte ein Security-Dashboard für alle Kunden verfügbar sein, um den Einsatz kostenpflichtiger Drittanbieter-Lösungen zu vermeiden“, kommentiert Sebastian Westphal. DSAG-Mitglieder unterstützen die laufende Testphase der Schnittstellenentwicklung proaktiv – und auch die begleitende Security-Kampagne mit SAP- und Partnerbeteiligung wird gut angenommen. Dennoch wird die Frage an SAP nach dem aktuellen Stand und den nächsten geplanten Schritten drängender, da auch noch klare Aussagen von SAP bezüglich der Security-Tools des Solution Managers über das Jahr 2027 hinaus weiterhin fehlen. SAP muss dringend klare Roadmaps liefern, die aufzeigen, wo und wann die heutigen Funktionen wie beispielsweise der Config Validation und der System Recommendations zukünftig abgebildet werden. Aufgrund der hohen Kritikalität brauchen die Anwendungsunternehmen hier einen klar definierten Zeitpunkt, an dem die entsprechenden Funktionalitäten im Cloud-Umfeld bereitgestellt werden.
IT-Roundtable: SAP-Sicherheitsempfehlungen von Branchenexperten
Führende Dienstleister kommen auf Initiative vom IT-Onlinemagazin beim SAP-Security Roundtable zusammen, um ihre Beiträge zur Verbesserung der SAP-Sicherheit zu teilen. Die Präsentation der Ergebnisse der SAP-Sicherheitsumfrage des IT-Onlinemagazins wird sicherlich ein interessanter Ausgangspunkt für die Diskussion sein. Sie soll dazu beitragen, die Stärken der jeweiligen Anbieter herauszufinden und die Aufgaben zu klären, die bei den Anwenderunternehmen verbleiben müssen.
Eine “Ask-anything”-Session am Ende der Diskussion ist eine großartige Gelegenheit für das Publikum, Fragen an die Branchenexperten zu stellen: Stefan Eckstein | Onapsis Europe, Carsten Cranz | PwC WP, Ralf Kempf | Pathlock Deutschland, Christoph Nagy | SecurityBridge, Oliver Villwock | DSAG AK SAP Security, Jean-Christoph von Oertzen | OEDIV Oetker und Informationsverarbeitung und Helge Sanden | IT-Onlinemagazin. Termin notieren: Mittwoch 07.02. um 14:00 Uhr in Saal D (2. OG).
Wege in die Cloud
Beim Thema Identity-Management (IDM) hingegen ist das Wartungsende 2027 bereits absehbar. „Für Kunden, die der IDM-Strategie von SAP bisher gefolgt sind, stellt sich die Frage, wie Sie das Identity Management für ihre Landschaften künftig orchestrieren. Wer IDM heute als zentrales Tool nutzt, wird sich nach einer neuen Lösung umschauen müssen, da das heutige cloudbasierte SAP Cloud Identity nicht den identischen Funktionsumfang der heutigen IDM-Lösung bietet und perspektivisch ausschließlich SAP-Landschaften adressiert. Somit gibt es für die Kunden keinen Weg, eins zu eins in die Cloud zu migrieren“, fasst Sebastian Westphal zusammen. Daher muss SAP dringend erklären, welche Ziellösung mit entsprechenden Migrationsszenarien und -services unterstützt wird, damit On-Premises-Szenarien und -Daten migriert werden können. Sind doch diese (historischen) Daten schon aus Revisions- und Compliance-Gründen relevant.
SAP Datasphere: Ende-zu-Ende-Prozesse unterstützen
Eine funktionale Lücke gilt es auch bei SAP Datasphere, vormals DataWarehouseCloud, zu beseitigen. Die Lösung ist auch nach vier Jahren Marktpräsenz funktional noch nicht ausgereift. So ist es derzeit noch nicht möglich, komplexe Geschäftsanwendungen abzubilden und Ende-zu-Ende-Prozesse sowohl hybrid als auch On-Premises sowie in Kombination mit Non-SAP-Lösungen „enterprise-ready“ zu ermöglichen. Die Mitbewerber haben sich in diesem Bereich bereits einen Vorsprung erarbeitet, den SAP schnell aufholen muss. Insbesondere Hyperscaler bieten Funktionen „out of the box“ – auch für SAP-Anwendungen – an.
Mit dem Harmonized Document Management (HDM) und den Adobe Document Services (ADS) gibt es weitere Black Boxes, die dringend geöffnet werden müssen. Es braucht eine Umsetzung des HDM in allen Lösungen des SAP-Portfolios mit eindeutigen Standards und Best Practices. Zudem herrscht für die On-Premises-Kunden aktuell bei der Nachfolgeregelung zum ADS eine Lücke. „Es braucht klare Transparenz über die Zukunft von HDM und eindeutige Zusagen, dass und wie eine Alternative zum heutigen ADS für On-Premises-Landschaften auch über das Wartungsende hinaus verfügbar sein wird“, fasst Sebastian Westphal eine weitere Forderung zusammen.
Green IT auf dem Prüfstand
Die letzte Black Box der DSAG-Technologietage 2024 beinhaltet die ebenso omnipräsenten Schlagworte Green IT und Sustainability. Klar und nachvollziehbar ist bislang nur, dass grün und klimaneutral mehr beinhaltet als ein entsprechendes Logo, mit dem sich vielleicht das eine oder andere Unternehmen schmückt. Es geht vielmehr um den konkreten Ressourcenverbrauch. Um hier nachhaltig agieren zu können, benötigen die Unternehmen entsprechende Lösungen. Zudem muss sich SAP – wie alle Hersteller – erklären, wie mit dem Thema Ressourcenverbrauch in den Großrechenzentren umgegangen wird und wie dabei für eine tatsächliche Green IT gesorgt werden kann, auch mit Blick auf die ständige Verbindung mit dem Internet (always-on).
“Durch die Aussage, dass SAP sein Green Ledger zur Berechnung der unternehmensspezifischen CO2-Bilanzen nur gegen Aufpreis und ausschließlich für RISE-Premium-Kunden zur Verfügung stellen wird, werden die Anwendungsunternehmen sich zunehmend nach Lösungen umsehen, die ihnen langfristige Einsatzszenarien bieten”, so Sebastian Westphal. Und der Fachvorstand Technologie ergänzt: “Dass die ersten Produkte von SAP, der Sustainability Control Tower und das Sustainability Footprint Management ebenso nur noch diesem eingeschränkten Kundenkreis zur Verfügung gestellt werden sollen, lässt die Anwendungsunternehmen an dem Ansatz von SAP zur Förderung von Nachhaltigkeit ernsthaft zweifeln.”
Es ist eine große Black Box, die bei den DSAG-Technologietagen 2024 in Hamburg geöffnet wird. Und es wird spannend sein zu sehen, welche der Herausforderungen vielleicht schon bald in die Unternehmensrealität Einzug hält und welche noch etwas länger eine Vision bleibt. Zur Agenda und Anmeldung der DSAGTT24.
Das IT-Onlinemagazin ist Medienpartner der DSAG-Technologietage 2024.