Otto Schell: Für digitale Geschäfte braucht man einen neuen Ansatz

SAP-Anwenderunternehmen sind aktuell mit einigen Veränderungen beschäftigt: Der Generationswechsel der SAP-Systemlandschaften, die Auswirkungen der Globalisierung und Maßnahmen zur Digitalisierung sind nur einige der Handlungsfelder, die miteinander synchronisiert werden müssen.

Wir fragten Otto Schell, DSAG-Vorstand IoT/Business Transformation, wie die global agierenden SAP-Anwenderunternehmen ihre Geschäftsmodelle, Systemlandschaften oder Plattformstrategien im Zuge der Digitalisierung anpassen und welche Prioritäten IT-Entscheider setzen sollten.

 

Herr Schell, Globalisierung ist kein neues Thema für die SAP-Anwenderunternehmen. Welche Fragestellungen gibt es dabei aktuell?

Otto SchellOtto Schell: Neben den klassischen Themen wie der Erfüllung legaler Anforderungen, Übersetzungen oder Anforderungen an die Support-Organisationen gewinnen auch neue Themen an Bedeutung.

Alleine mit dem Internet-of-Things (IoT) ergeben sich neue Anforderungen an hybride Umgebungen und ein agileres Projektmanagement. Gleichzeitig gewinnen Themen rund um die Art der Datenverteilung im Hinblick auf die Datensicherheit an Bedeutung. All das rücken wir auch beim diesjährigen DSAG-Globalization-Symposium in Dresden in den Fokus.

 

Wir befinden uns mitten im Generationswechsel der genutzten SAP-Technologien. Was bedeutet das für multinationale SAP-Systemlandschaften und deren Modernisierung?

In Zusammenhang mit der Frage nach neuen oder erweiterten Geschäftsmodellen beschäftigen sich Unternehmen auch mit neuen Themen, um ihre Plattformen zu erweitern, bzw. offener zu gestalten.

Hier sehen wir als DSAG eine Diskussion, bei der ein Digital Core zwar immer noch in der Mitte steht, aber eben nicht mehr ausschließlich. Dementsprechend müssen wir uns mit den Themen Cloud und mit der Integration in bestehende Landschaften oder ganz neuen Szenarien beschäftigen.

 

Wir beobachten Trends wie „Zurück zum Standard“ und die „Zentralisierung von SAP-Systemen“. Wie passt das mit den doch oft sehr individuellen Anforderungen einiger Regionen oder Länder zusammen?

Agilität impliziert bis zu einem gewissen Grad Standardisierung oder in anderen Worten: Konsistente Daten und Prozesse. Bei Transaktionen in elektronische Handelsplattformen wie Amazon oder Alibaba geben wir einen Sicherheitscode für die Kreditkarte an und der Prozess läuft.

So einfach funktioniert das aber in der Geschäftswelt noch nicht. Hier haben wir uns in den vergangenen Jahrzehnten mehr oder weniger selbst optimiert und müssen jetzt erst lernen, in Netzwerken und Kooperationen bereichsübergreifend zu denken.

 

Wie weit sind die global tätigen Unternehmen bei der digitalen Transformation?

Einige sind sicherlich früh dabei. Die Frage ist aber eher, ob es ausreicht, alleine „weit zu sein“ oder, ob sie „weit im Netzwerk“ sein müssen, um die entsprechenden Investitionen stemmen zu können.

Das wirkliche Dilemma ist, dass Globalisierung mit dem Internet-of-things für jedermann möglich ist, viele das aber noch nicht erkannt haben oder sich in ihren derzeitigen Geschäftsbeziehungen verhaftet fühlen.

 

Beobachten Sie dort eher lokale, regionale oder globale Aktivitäten?

Leider beobachten wir als DSAG hier alle Variationen, das heißt, die Governance-Struktur, die nötig ist, um künftige Rahmenbedingungen schon jetzt festzulegen, fehlt. Das führt dazu, dass wir unstrukturiert „loslaufen“.

Die Herausforderung auf der einen Seite besteht darin, zu antizipieren und nicht zu sehr einzuschränken. Und auf der anderen Seite müssen wir der skalierenden Technologie Rechnung tragen.

 

Wie müssen Unternehmen ihre Geschäftsmodelle, Systemlandschaften und Plattformstrategien anpassen, um von den Möglichkeiten der Digitalisierung zu profitieren?

Aus Sicht der DSAG müssen Unternehmen zunächst die derzeitigen Business- und IT-Architekturen in Frage stellen, und auf ihre Relevanz hinsichtlich der Digitalisierung prüfen. Es genügt nicht, über kurzfristige Optimierungen nachzudenken.

Vielmehr sollten Unternehmen Szenarien für Kollaborationen entwickeln, sich neue Märkte zu erschließen oder auch anstehende Projekte aufgrund der kommenden Technologien neu bewerten.

 

… und welchen Einfluss haben die wachsenden Ansprüche an die Compliance, Datenschutz und Datensicherheit? Wie kann man eine globale digitale Governance erreichen?

Wenn wir mit unserem derzeitigen Know-how immer wieder in die gleichen Kerben hauen, bringt uns das nicht weiter. Wir müssen neue Denkmodelle entwickeln und Rahmenbedingungen setzen. Da Technologie sich unaufhaltsam weiterentwickelt und eingesetzt wird, müssen die Rahmenbedingungen dynamisch anpassbar sein.

Ein Datenschutzgesetz, das Mitte 2000 erarbeitet wurde, trifft heute auf eine ganz andere technologische Welt mit ganz neuen Playern. Trotzdem versuchen wir an einem einmal getroffenen Beschluss festzuhalten. Das wird uns nicht helfen. Eine globale Governance bedingt grenzenloses Denken und angemessenes, nicht retrospektives Handeln.

 

Welche drei wichtigsten Empfehlungen geben Sie einem CIO bezüglich Digitalisierung und Globalisierung?

Erstens: Digitale Geschäfte lassen sich nur mit einem gemeinsamen und in der Welt der Schnittstellen neu definierten Ansatz realisieren. CIOs sollten sich daher besser vernetzen. Viele Unternehmen sind technisch zurück, weil CIOs Margen optimiert haben und nicht parallel Maßnahmen ergriffen haben, um zu inspirieren.

Zweitens: CIOs sollten sich unbedingt in die Diskussion um neue Rahmenbedingungen einbinden und sich nicht im Nachhinein darüber beschweren, wenn etwas nicht funktioniert.

Drittens: Sie sollten beim Aufbau von Kompetenz-Zentren unterstützen und dazu beitragen, die Grenze zwischen Fachbereich und IT aufzuheben.

 

Vielen Dank für das Gespräch.

Die Fragen stellte Helge Sanden, Chefredakteur des IT-Onlinemagazins, im Vorfeld des DSAG-Globalization-Symposiums 2018: „Digitalization meets Globalization“.

 

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