S/4HANA-Transformationen in der Krise: Mit externen Audits Projekte zurück auf Kurs bringen

Schieflage
Wenn SAP S/4HANA-Projekte aus dem Ruder laufen, kann der Blick von außen helfen. Foto: Gajus, Canva Teams

 

Schwächen im Projektmanagement, zu viele nachträgliche Scope Erweiterungen, unklare Prioritäten, Ressourcenengpässe und unzureichendes Change Management haben bei S/4HANA-Projekten oftmals Überschreitungen im Budget, Qualitätseinbußen oder eine Verzögerung des Go-Live zur Folge. In einem Gastbeitrag für das IT-Onlinemagazin skizzieren Stefan Marxen und Stefan Meinhardt, Managing Partner der dr. Fuchs Senior Advisors, wie in Schieflage geratene Projekte durch ein unabhängiges und objektives Projektreview wieder auf Kurs gebracht werden können.

Warum S/4HANA-Projekte so komplex sind

Noch immer hat gerade die Hälfte der Unternehmen ihre S/4HANA-Transformation vollzogen. Das heißt: Die Kunden kommen meist von mittlerweile in die Jahre gekommenen SAP ECC-Systemen, die seit 15 bis 20 Jahren im Einsatz sind – entsprechend tief sind Systemanpassungen und Eigenentwicklungen in den Prozessen verankert. Der technologische Wechsel allein ist bereits ein Kraftakt, hinzu kommen organisatorische und prozessgetriebene Umbrüche, etwa durch eine Neudefinition der Prozesslandschaft, Standardisierungszwänge oder begrenzte Ressourcen, letzteres vor allem auch im Mittelstand. Hinzu kommen oft unterschätzte Altlasten: heterogene Datenbestände, gewachsene Systemlandschaften und überalterte IT-Strukturen. Was dabei nicht zu unterschätzen ist: Die Transformation betrifft nicht nur Prozesse und Daten, sondern auch die IT-Organisationen – gerade bei einem Wechsel in die Cloud.

 

Implementierungspartner: Hilfe oder Hemmschuh?

Laut Horváth-Studie setzen 98 Prozent der Unternehmen auf externe Partner. Doch nicht selten wird deren Beitrag kritisch beurteilt. Grund hierfür sind oftmals Fehler und unerfüllte Erwartungen, die bereits in der Projektanbahnungsphase ihren Anfang nehmen. Das kann beispielsweise an einer unzureichenden Vertragsgestaltung, methodischen Lücken, unklarer Rollenverteilung oder fehlenden Qualitätskriterien liegen, die im Projektverlauf schnell zu Missverständnissen führen. Es gilt daher, bereits vor Projektbeginn umfassende und verbindliche Absprachen zu treffen.

Hierauf und auf den eigentlichen Projektverlauf hat der Implementierungspartner oft jedoch nur begrenzten Einfluss. Denn er kann letztlich nicht darüber entscheiden oder erzwingen, in welcher Form und in welchem Umfang er von seinen Kunden beauftragt wird, inwieweit der Kunde seine vereinbarten Mitwirkungsleistungen erbringt oder ob der Kunde die nötigen technischen und prozessualen Entscheidungen zeitgerecht und auch mit Bestand trifft. Dennoch ist er dazu verpflichtet, die vereinbarten Leistungen zu erbringen.

 

Wie kann es zur Schieflage im Projekt kommen?

Aufgrund dieses – dauerhaften und vielleicht nie in Gänze zu vermeidenden – Spannungsfelds haben die Erfahrungen aus einer Reihe von Projektreviews gezeigt, dass die Implementierungspartner nach Meinung des Kunden erwartbare Anforderungen an die Beratungsleistung nicht hinreichend erfüllt haben. Die Unternehmen schätzten zwar den nötigen Sachverstand auf Seiten des Partners (Prozesswissen, Branchen-Know-how) – gerade weil, speziell bei mittelständischen Unternehmen, oftmals weder die Ressourcenkapazität noch das Know-how vorhanden ist, eine S/4HANA-Transformation zu stemmen. Sie sind somit darauf angewiesen, dass der externe Partner die Process Owner und Key User dort abholt, wo sie gerade stehen, sie an die Hand nimmt, sie proaktiv durch den Wandel steuert und natürlich für den nötigen Know-how-Transfer sorgt. Bemängelt wird auch häufig, dass die Berater nicht immer alle vorhandenen Lösungsoptionen samt den damit einhergehenden Potenzialen und Risken aufzeigen. Gerade in diesem Punkt mangelt es oft am erforderlichen Rollenverständnis – mit entsprechenden Folgen für das Projekt.

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Notbremse Projektreview

Ein unabhängiger Review kann in diesem Spannungsfeld zwischen Unternehmen und Implementierungspartner Klarheit schaffen und Wege aus der Krise aufzeigen – vorausgesetzt, er ist umfassend, objektiv und konstruktiv. Hier ist maßgeblich:

  • Der Reviewer muss unabhängig und „sehr erfahren“ sein, darf dabei aber nicht schulmeisterlich auftreten.
  • Bewertungen basieren immer auf nachvollziehbaren Fakten, nicht auf subjektiven Annahmen.
  • Ziel ist nicht Schuldzuweisung, sondern eine pragmatische Perspektive mit konstruktiven Empfehlungen zur erfolgreichen Fortführung des Projekts.

Um das zu erreichen, muss ein guter Review thematisch breit aufgestellt sein und mindestens Projektmanagement, Planung und Methodik, Change Management, Datenmigration, Lösungsarchitektur und die Abbildung der End-to-End-Prozesse umfassen. Zudem gilt es, die Arbeitsergebnisse des Implementierungspartners zu untersuchen.

 

Strukturierter Ablauf mit klarer Ergebnissicherung

Ein fundierter Review lässt sich zudem nicht in kürzester Zeit mit zwei oder drei Gesprächen herstellen. Um die benötigten Resultate ans Tageslicht zu bringen, braucht es vielmehr eine entsprechende Laufzeit über verschiedene Phasen:

  1. Analyse vorhandener Dokumentation (1 Woche)
  2. Projektteam und Stakeholder-Interviews (2–3 Wochen)
    – je nach Projekt- und Unternehmensgröße 20 bis 30 Gespräche mit Projektleitung, Stream-Verantwortlichen, Process-Ownern, Key Usern der Fachbereiche, Mitarbeiter des Implementierungspartners und nicht zuletzt Sponsoren der Geschäftseinheiten und des Vorstands bzw. der Geschäftsleitung.
  3. Dokumentation erster Analyseergebnisse als Zwischenbericht mit abgeleiteten Empfehlungen und Diskussion mit Auftraggeber/Projektleitung
  4. Finaler Reviewbericht (ca. 1-2 Wochen) mit ausführlichen Maßnahmenempfehlungen und verdichtete Version für Geschäftsleitung mit Maßnahmenpriorisierung und Dokumentation Projektfortschritt.

Hierbei hat sich ein klassisches Ampelsystem als hilfreich herausgestellt. Dieses visualisiert den Status der untersuchten Bereiche. „Grün“ steht für Best-Practice-Umsetzung, bei Gelb oder Rot werden konkrete Empfehlungen formuliert.

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Weiterführende Informationen:

Sie wollen mehr zum „unabhängige Reviews“ erfahren? Dann melden Sie sich am besten noch heute für unseren Expert-Talk „SAP S/4HANA-Transformationsprojekte: Wege aus der Krise“ am Dienstag, den 17. Juni, 11:00 Uhr, an. Jetzt kostenlos registrieren

 

Die Safety-Car-Phase: Umsetzung statt Aktionismus

Besonderes Augenmerk sollte bei einem Projektreview den spezifischen Möglichkeiten des Unternehmens gewidmet werden – und daher auf die Faktoren  Zeit, Budget und Ressourcen zugeschnitten sein. Nur so ist die Umsetzbarkeit gewährleistet. Und: Ein Projektreview muss als Unterstützung verstanden werden, nicht als Belastung.

Auch hat sich beim Wiederaufgleisen schiefstehender SAP-Projekte eine „Safety-Car-Phase“ als enorm wichtig erwiesen. Damit ist eine Phase gemeint, die – ähnlich wie bei kritischen Situationen im Rennsport – eine kontrollierte Pause markiert, die der Neuplanung des Projektes und der Abarbeitung möglichst aller offenen Themen dient, um danach im Projekt wieder Vollgas geben zu können und die eigentlichen Unternehmensziele sicher zu erreichen.

Über die Autoren
Stefan Meinhardt-Stefan Marxen

 

Stefan Marxen (Foto re.) und Stefan Meinhardt (Foto  li.) sind Managing Partner der dr. Fuchs Senior Advisors und erfahrene Experten für S/4HANA-Transformationsprojekte.

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