Steffen Pietsch: Das erwartet SAP-Kunden 2021

Der Ausblick auf das Jahr 2021 fällt vielen Unternehmen aufgrund einiger Unwägbarkeiten sicher nicht leicht: Kontaktbeschränkungen, Unsicherheiten zum Geschäftsverlauf, teilweise sinkende Umsätze und IT-Budgets – und andererseits bei vielen auch die Dringlichkeit der weiteren Digitalisierung, um wettbewerbsfähig zu bleiben.

Wir fragten DSAG-Technologievorstand Steffen Pietsch, was er für 2021 erwartet, was Anwenderunternehmen von der SAP brauchen, welche Rolle die SAP-Partnerlandschaft in den nächsten Jahren spielen wird und wie er die Cloud-Attraktivität weiter erhöhen möchte.

 

Herr Pietsch, was werden Sie im nächsten Dezember rückblickend zum Verlauf des Jahres 2021 sagen?

Steffen Pietsch DSAGSteffen Pietsch: Hoffentlich werde ich sagen: ‚Wie schön war der Moment als wir uns alle wiedergetroffen und nicht nur digital unsere Beziehungen gepflegt haben.‘ Darüber hinaus werden wir uns positiv erstaunt darüber austauschen, welche technologischen Fortschritte es auch in 2021 gab, wie schnell diese von Unternehmen und Gesellschaft adaptiert wurden und welche Verhaltensmuster wir trotz Rückkehr zur Normalität beibehalten haben.

 

„Hyperchange – IT in der neuen Realität“, so betiteln Sie die virtuellen DSAG-Technologietage im Februar. Was steckt hinter dem Motto – und bleiben denn überhaupt noch irgendwelche Konstanten?

„Nichts ist so beständig wie der Wandel“ – das Zitat wird dem griechischen Philosophen Heraklit zugeschrieben und hat auch nach 2.500 Jahren an Gültigkeit nicht verloren. Veränderungen gehören zum privaten und wirtschaftlichen Leben dazu. Die Innovationszyklen sind in den vergangenen Jahrzehnten jedoch insbesondere im Technologiebereich deutlich kürzer geworden. Krisensituationen wirken als zusätzlicher Katalysator und Beschleuniger für Veränderungen und Trendentwicklungen – und wenn derart viel in Bewegung ist, sprechen wir vom Hyperchange.

In der Keynote wird es darum gehen, wie sich IT-Organisationen das Konzept der Resilienz zunutze machen können und auf welche Aspekte es ankommt, um gestärkt aus der Krise hervorzugehen. IT in der neuen Realität bedeutet nicht die Suche nach möglichst großer Konstanz, sondern die Fähigkeit zum Wandel. Daraus entstehen Anforderungen an SAP und gleichzeitig Hausaufgaben für uns als Anwenderunternehmen.

 

Was erwarten Sie für 2021 von der SAP?

Meine Erwartungshaltung ist, dass die laufenden Programme, die zur Harmonisierung und Integration der SAP-Lösungen beitragen sollen, Früchte tragen. Die mangelhafte Integrationsfähigkeit der SAP-Lösungen untereinander treibt für viele Kunden den Aufwand in Einführungsprojekten und im Betrieb der Lösungen in die Höhe.

Es ist daher wichtig, dass Fortschritte in diesem Thema bei den Kunden ankommen und dort auch eingesetzt werden. Neben der inkrementellen Bereitstellung von Verbesserungen benötigen Kunden mittelfristige Planungssicherheit, um ihre eigenen Projekte darauf ausrichten zu können.

 

An diesen Themen arbeiten Sie gemeinsam schon länger, haben Sie noch ergänzende Erwartungen in Richtung SAP?

Mehr Unterstützung bei der Adaption von Cloud-Lösungen im Technologiebereich. Die SAP Cloud Platform hat beispielsweise eine hohe strategische Bedeutung, wenn es darum geht SAP-Lösungen zu integrieren oder zu erweitern. Um die bereits jetzt vorhandenen Möglichkeiten auszuschöpfen, ist viel Know-how bei Anwenderunternehmen und Partnern erforderlich. SAP ist gut beraten das Developer-Ecosystem und die SAP-Community beim Wissensaufbau aktiv zu unterstützen.

Abschließend sehe ich Handlungsbedarf im SAP-Analytics-Portfolio. Wir begrüßen die positive Entwicklung der SAP Analytics Cloud (SAC) in den vergangenen Jahren. Leider sehen wir im Bereich der Backend-Produkte (BW/4HANA, Data Warehouse Cloud) allerdings eine deutliche Verunsicherung bei den Anwenderunternehmen sowie Hürden bei der Transformation eines klassischen Business Warehouse 7.x in die neue Welt.

 

Was können die DSAG-Mitgliedsunternehmen 2021 von Ihnen erwarten?

Mein Ziel ist es auch weiterhin die Stimme der Anwender gegenüber SAP zu vertreten und somit die SAP-Produktentwicklung im Sinne der Kunden zu beeinflussen. Dies erfordert vielfach Überzeugungsarbeit auf verschiedenen Ebenen bei SAP. Mein Schwerpunkt liegt naturgemäß in den Themen des Technologieressorts und wird in 2021 von Integrationsthemen und der sukzessiven Cloud-Transformation des SAP-Portfolios geprägt sein. Die DSAG steht für Cloud-first, aber nicht für Cloud-only. Diese Grundhaltung erfordert eine kontinuierliche Übersetzung und Adaption für die jeweiligen Produktkontexte.

Darüber hinaus möchte ich Ihre Frage gerne mit einer Bitte an die DSAG-Mitgliedsunternehmen verbinden: Die DSAG ist eine Interessensvertretung, deren Erfolg nicht von einzelnen Personen, sondern vom Engagement der gesamten Community abhängt. Ich möchte daher die DSAG-Mitgliedsunternehmen ermuntern, sich auch im Jahr 2021 aktiv in den Erfahrungsaustausch untereinander, die Diskussion mit SAP und gerne auch mit dem DSAG-Vorstand einzubringen.

 

Welche Empfehlungen geben Sie den CEOs und CIOs für 2021?

2020 wurden mit enormer Geschwindigkeit viele pragmatische Lösungen geschaffen, um die Betriebsabläufe in und zwischen Unternehmen aufrecht zu erhalten bzw. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter trotz Homeoffice in die Lage zu versetzen, ihrer Arbeit nachzugehen. Dabei wurden bemerkenswerte Leistungen erbracht und ein Digitalisierungsschub erzeugt, der sonst mehrere Jahre benötigt hätte.

Unter den Rahmenbedingungen von 2020 und der erforderlichen Umsetzungsgeschwindigkeit sind teilweise Brückenlösungen und Provisorien entstanden, die jetzt aufgeräumt werden müssen. Dazu zählen beispielsweise die Überprüfung und Konsolidierung eingeführter Cloud-Lösungen, um Shelf-Ware zu vermeiden, genauso wie die Überprüfung und gegebenenfalls die Nachjustierung des Sicherheitsniveaus kurzfristig eingeführter Lösungen.

Neben Aufräumarbeiten gilt es den Digitalisierungsschub auszunutzen und die Etablierung innovativer Technologien zur Stärkung der eigenen Wettbewerbsfähigkeit voranzutreiben. Dabei sollte der Blick nach vielen Sofortmaßnahmen in 2020 wieder auf die Nachhaltigkeit des Handelns gelegt werden.

 

Wie können Unternehmen das Tempo beim Umstieg auf SAP S/4HANA hoch halten?

Der Kostendruck auf Unternehmen hat sich massiv verschärft und wird auch 2021 und in den Folgejahren deutlich spürbar sein. Langjährige Umstellungsprogramme, die erst am Ende einen Mehrwert bieten, haben es daher schwer.

Unternehmen sollten prüfen, inwieweit Projektkosten und die Realisierung von Vorteilen durch S/4HANA zeitlich in Einklang gebracht werden können. Nur wenn die Mehrwerte klar erkennbar sind, behalten Transformationsprojekte die notwendige Priorität.

 

Bestandskunden zögern weiterhin, mit ihren Kernsystemen in die Cloud umzuziehen. Was würde die Cloud-Attraktivität weiter erhöhen?

Ich sehe u.a. zwei Hindernisse bei der Cloud-Nutzung für Kernsysteme: Langjährige Bestandskunden verfügen oft über ein stark angepasstes ERP-System. Während beim Übergang von der Business Suite auf S/4HANA On-Premise verschiedene Transformationswege möglich sind (Greenfield, Brownfield, u.a.), kommt beim Einsatz von S/4HANA Cloud nur eine Neuimplementierung in Frage. Unternehmen scheuen den damit verbundenen Aufwand, wenn sie derzeit über ein gut funktionierendes System verfügen.

Das zweite Hindernis stellt die Anpassbarkeit von Cloud-Lösungen (SaaS) dar. Bestandskunden, die in ihrer individuellen Prozessausprägung einen Geschäftsvorteil sehen, ziehen wenig Nutzen daraus, ihre Kernprozesse zu standardisieren. Mit der Business Technology Platform existieren mittlerweile gute Möglichkeiten, eine SAP-Cloud-Lösung im Side-by-Side-Ansatz zu erweitern, aber dies ist vielfach mit dem Aufbau neuer Fähigkeiten und Aufwand verbunden.

SAP kann die Attraktivität weiter erhöhen, indem Transformationspfade einfacher, günstiger und mit weniger Risiko verbunden sind.

 

Welche Eigenschaften brauchen SAP-Partner in den nächsten Jahren, damit sie den SAP-Kunden Mehrwert liefern?

Die technologische Innovationsgeschwindigkeit ist immens hoch und einige SAP-Kunden tun sich schwer damit, bei dieser Geschwindigkeit Schritt zu halten. SAP-Partner stellen nicht nur eine Erweiterung der IT-Kapazitäten für Anwenderunternehmen dar, sondern sind Know-how-Träger, die dazu beitragen aus den technologischen Weiterentwicklungen von SAP-Produkten einen Nutzen für Kunden zu schaffen.

Hierfür dürfen Partner sich allerdings nicht auf Erlerntem ausruhen, sondern müssen viel in die eigene Qualifizierung investieren und sich intensiv mit den neuen SAP-Lösungen befassen. Dazu zählen insbesondere die Möglichkeiten von S/4HANA und der Business Technology Platform.

 

Was wird aus Ihrer Sicht das dominierende Thema für SAP-Entscheider im Jahr 2021?

Cloud.

Das Jahr 2020 hat für einen Durchbruch in der Cloud-Nutzung gesorgt, der sich 2021 fortsetzen wird. SAP-Entscheider stehen damit vor der Frage, wie sie von den Vorteilen, die sich aus der Cloud-Nutzung ergeben, profitieren können und wie der Weg dahin aussieht. Bedingt durch branchen- und unternehmensspezifische Anforderungen, funktionaler Natur oder im Hinblick auf den Datenschutz, gibt es keine Pauschalantwort.

Darüber hinaus ist die Cloud kein Selbstzweck, sondern ein Helfer bei der digitalen Transformation. An welcher Stelle diese Hilfe betriebswirtschaftlich und technisch Sinn macht, wird die SAP-Entscheider und IT-Verantwortlichen in diesem Jahr massiv beschäftigen.

 

Eine persönliche Frage: Wie digitalisiert sind Sie im privaten Umfeld?

Ich vermute, dass die Antwort auf diese Frage sehr unterschiedlich ausfallen würde, je nachdem ob Sie meine Frau oder unsere Kinder befragen würden. Scherz beiseite. Ich bin begeistert davon, wie Digitalisierung nicht nur unser berufliches Umfeld prägt, sondern auch unser Privatleben erleichtert.

Hierzu haben wir eine ganze Reihe an großen und kleinen digitalen Helfern im Einsatz, die wir nicht mehr missen möchten und gerne probieren wir auch neue Dinge aus. Aber alles hat Grenzen. Neben viel Digitalem schätze ich ein analoges Glas Wein und ein gutes Gespräch mindestens ebenso.

 

Vielen Dank für das Gespräch.

Die Fragen stellte Helge Sanden, Chefredakteur des IT-Onlinemagazins.

 

Weiterführende Informationen:

DSAG-Technologietage 2021:

„Hyperchange – IT in der neuen Realität“ lautet das Motto der virtuellen Technologietage der Deutschsprachigen SAP-Anwendergruppe e.V. (DSAG) am 3. und 4. Februar 2021. Das IT-Onlinemagazin ist Medienpartner der DSAG-Technologietage 2021.

 

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