Die Cloud und SaaS sind längst Realität in nahezu allen IT-Strategien. Trotzdem tun sich viele CIOs schwer, ihre Unternehmens-IT in die Cloud zu verlagern. Auf dem Papier klingen die Vorteile überzeugend: mehr Flexibilität, schnellere Innovation, geringere Betriebskosten.
Doch die Praxis zeigt: Der Weg dorthin ist steinig und es müssen hier und da harte Entscheidungen getroffen werden. Unterschiedliche Altlasten, Sicherheitsanforderungen, interne Widerstände und fehlende Ressourcen machen die Cloud-Transformation zu einem der anspruchsvollsten Projekte auf der CIO-Agenda.
Was gilt es für SAP-Kunden zu beachten? Und wie können CIOs sicherstellen, dass die Transformation nicht nur technisch gelingt, sondern auch Mehrwerte und Zukunftschancen schafft? Wir haben die größten Herausforderungen zusammengetragen und geben Hinweise, wie andere CIOs sie gelöst haben.
Business-Strategie und Mehrwerte
Die Migration von SAP-Systemen in die Cloud ist kein Selbstzweck. Es ist ratsam, vorab zu klären, welchen Beitrag die Transformation zur Unternehmensstrategie leisten kann:
Beschleunigen die Cloud-Lösungen die Einführung neuer Geschäftsmodelle oder Produkte, die Expansion oder die Internationalisierung? Ermöglichen die SAP Business Suite in der Cloud, die SAP BTP oder andere Cloud-Produkte mehr Innovation durch integrierte KI, Datenservices oder Automatisierung? Verbessert die Cloud-Architektur die Zusammenarbeit mit Kunden, Lieferanten und Partnern? Unterstützt die Cloud-Transformation die Handlungsfelder Babyboomer-Knowhow-Verlust oder Cybersecurity?
Eine klare Business-Vision ist entscheidend, damit die Transformation nicht in technischer Detailarbeit stecken bleibt.
Zukunftsperspektive: SAP-Roadmap 2030
Die Cloud-Transformation sollte nicht isoliert für das eigene Unternehmen betrachtet werden, sondern im Kontext der langfristigen SAP-Strategie und des SAP-Ökosystems. Das auf einen Zeitraum von fünf Jahren oder mehr treffend zu antizipieren, ist sehr schwierig. Die Innovationsgeschwindigkeit erscheint so hoch wie noch nie. Trotzdem muss man sich diese und ähnliche Fragen beantworten:

Helge Sanden (SAP-Community-Insider und Chefredakteur | IT-Onlinemagazin)
Welche disruptive Energie steckt in der KI mit SAP? Welche Vor- oder Nachteile sind zu erwarten, wenn die eigenen SAP-Lösungen ohne KI auskommen müssen? Wie entwickelt sich die SAP Business Data Cloud als zentrale Datenplattform für Unternehmen und damit mit der Integration von Non-SAP-Systemen? Inwieweit kann die KI zukünftig bei der Re-Standardisierung in Richtung Clean-Core unterstützen? Welche Investitionen in Integrationen, Automatisierung und KI sind heute sinnvoll oder dringend notwendig, um 2030 wettbewerbsfähig zu sein? Kann ich mir erlauben, anders als Greenfield zu entscheiden? Wie werde ich schnellstmöglich Public-Cloud-ready, ohne meine Alleinstellungsmerkmale zu verlieren?
In Walldorf dreht sich aktuell alles um Cloud und KI. Für SAP ist das die oberste Priorität. Dass dieses Pendel jemals zurück zu On-Premises schwingt, ist heute schlicht undenkbar. Und Achtung: Die Code-Linien des Cloud ERP Private Edition und Public Edition sind getrennt. Die Funktionsumfänge laufen auseinander: Jeder SAP-Kunde ist gut beraten, seine Zielarchitektur sorgfältig und mit Weitblick zu wählen.
Weitsicht wird sich auszahlen — und jedes Unternehmen muss für sich entscheiden, wo man mit und wo lieber ohne SAP geht: Wer heute die richtigen Weichen stellt, spart morgen nicht nur Kosten, sondern gewinnt auch die nötige Beweglichkeit, um neue Geschäftsanforderungen schnell umzusetzen und Innovationspotenziale zu nutzen.
Ein Schlüssel liegt im Erfahrungsaustausch – mit neutralen Experten, Peer-Gruppen und anderen SAP-Verantwortlichen, die vor ähnlichen Herausforderungen stehen.
Komplexität bestehender IT-Landschaften
SAP-Kunden haben oft über Jahrzehnte gewachsene IT-Strukturen. Unterschiedliche Systeme, Schnittstellen, Eigenentwicklungen und teilweise kaum dokumentierte Prozesse erschweren den Wechsel in die Cloud. Gerade in internationalen Konzernen existieren oft Parallelwelten – verschiedene ERP-Releases, lokale Anwendungen, individuelle Datenbanken. Eine „1:1-Migration“ ohne Modernisierung ist nicht sinnvoll.
Die Herausforderung besteht darin, die Komplexität beherrschbar zu machen. Wer unvorbereitet migriert, riskiert nicht nur höhere Kosten, sondern auch Ausfälle im Betrieb. Die passende Migrationsstrategie muss gefunden werden.
Für CIOs empfiehlt es sich daher zunächst eine umfassende Bestandsaufnahme zu machen und festzulegen, welche Systeme in welcher Form in die Cloud migriert werden können. Parallel lohnt es sich, Prozesse zu standardisieren und Altlasten zu eliminieren. Eine Roadmap mit dargestellten Abhängigkeiten schafft Transparenz und verhindert böse Überraschungen. Bei der Entwicklung dieser Roadmap ist externe Unterstützung oft hilfreich.
Sicherheits- und Compliance-Fragen
Sobald Daten die Unternehmensgrenzen verlassen, steigt die Sensibilität — und das ist gut so. Viele Fachbereiche und Geschäftsleitungen stellen die Frage: „Wie sicher sind unsere Daten in der Cloud?“ Hinzu kommen branchenspezifische Compliance-Vorgaben oder rechtliche Anforderungen an Datenschutz, Archivierung und Nachvollziehbarkeit.
Die Herausforderung: Viele Hyperscaler bieten zwar Funktionsvielfalt und Innovation, stehen jedoch unter ausländischer Rechtsprechung wie dem US Cloud Act. CIOs müssen daher entscheiden, welche Daten und Workloads in eine souveräne Cloud gehören und wo Public-Cloud-Services genutzt werden können.
Sicherheit darf nicht als Bremsklotz wirken – sie muss integraler Bestandteil der Transformation sein. Daher sollten frühzeitig klare Sicherheits- und Governance-Richtlinien definiert und die Provider daran gemessen werden. Die souveräne Cloud bietet die zusätzliche Chance, regulatorische Anforderungen zu erfüllen, Vertrauen in der Organisation aufzubauen und gleichzeitig die strategische Abhängigkeit von internationalen Anbietern zu reduzieren.
Ein begleitendes Enablement, also ein ganzheitlicher Befähigungsprozess – von Wissen über Skills, Tools, Kultur bis hin zu nachhaltiger Adoption, sensibilisiert Mitarbeitende zusätzlich für neue Risiken und Prozesse. Denn man darf nicht vergessen, dass sich die SAP-Security nicht outsourcen lässt. Die letzte Verantwortung bleibt bei den Anwenderunternehmen.
Governance und Betriebsmodelle
Mit der Cloud verändert sich die Verantwortung für Betrieb und Sicherheit grundlegend: Herrscht im Unternehmen schon Klarheit, wer für Compliance, Verfügbarkeit und Security verantwortlich ist – SAP, der Hyperscaler oder das Unternehmen selbst? Wie viel Transparenz bleibt bei einem Managed-Service-Modell der SAP? Welche Einflussmöglichkeiten habe ich auf den Betrieb? Welche Rolle übernimmt die interne IT künftig: reiner Koordinator, Architekt oder strategischer Partner des Business?
Ein klar definiertes Zielbetriebsmodell mit angepassten Rollen schafft Sicherheit für Budget, Kompetenzen und Entscheidungswege — und kann IT-Organisationen auch mögliche Zukunftsängste nehmen.
Kostenkontrolle und Business Case
Ein weit verbreitetes Narrativ der Anbieter ist: Cloud sei automatisch günstiger. In der Realität berichten viele Unternehmen von steigenden Betriebskosten nach der Migration – oft, weil die Kostenmodelle falsch kalkuliert oder nicht ausreichend überwacht werden. Was früher ungenutzte Lizenzen im Schrank waren, sind heute Cloud-Services, die bestellt, vom Anbieter bereitgestellt, aber längst nicht mehr (oder noch nie) gebraucht werden.
Ein Vergleich von TCO-Szenarien für fünf bis zehn Jahre (On-Premises vs. Private vs. Public vs. Hybride Cloud) ist mehr als sinnvoll. Und zwar unter Einbeziehung versteckter Kosten, z. B. API-Aufrufe, BTP-Services, Datenvolumen und mit Definition klarer KPIs zur Erfolgsmessung, z. B. Einsparpotenziale, Innovationsgeschwindigkeit, Nutzerakzeptanz.
CIOs brauchen ein transparentes Kostencontrolling und mit den Fachbereichen abgestimmte KPIs. „Pay-per-use“ klingt attraktiv, führt aber ohne Governance zu Überraschungen. Ein Business Case betrachtet neben den Anfangskosten und den anfänglich oft sehr hohen Rabatten auch den Betrieb über mehrere Jahre. Gerade bei hybriden Szenarien lohnt sich ein detaillierter Vergleich: Was bleibt On-Premises, was geht in die Cloud, und welche Kosten entstehen langfristig in beiden Welten?
Auch wichtig: C-Level sollte auch die Frage beantworten können: „Welche Wettbewerbsnachteile entstehen uns, wenn wir kurz-, mittel- und langfristig nicht die SAP-Möglichkeiten in der (Public) Cloud nutzen können?“