
Ein Besucherrekord war es in diesem Jahr für die Deutschsprachige SAP-Anwendergruppe e.V. (DSAG): 3.200 Fachbesucher trafen sich zu den DSAG-Technologietagen vom 2.–3. April 2025 in Wiesbaden. Das unterstreicht das starke Interesse der SAP-Community an den momentanen Entwicklungen. Eröffnet wurden die Techtage von DSAG-Technikvorstand Sebastian Westphal und SAP CTO & Chief AI Officer Dr. Philipp Herzig unter dem Motto „Strategy Royale – Wo muss nachgelegt werden?“
Selten hat ein Motto so verfangen wie in diesem Jahr. Wer pokert gerade hoch, wer ist der Gewinner? Die Vorträge waren voll, die Fragen vielschichtig, die Stimmung gut.
Große Erwartungen an die SAP Business Data Cloud

Sie war in aller Munde und Sebastian Westphal bezeichnet sie als größten Strategiewechsel seit S/4HANA – die im Februar angekündigte SAP Business Data Cloud (BDC) könnte sich zum wirklich großen Wurf entwickeln. Als SaaS-Plattform führt sie Unternehmensdaten aus SAP- und Nicht-SAP-Quellen in einem einheitlichen semantischen Modell zusammen. Im Zentrum steht ein Knowledge Graph, der Beziehungen zwischen Datenpunkten auf Basis dieses Modells abbildet und daraus kontextreiche Datenprodukte generiert. Diese liefern die Grundlage für Analysen, KI-Anwendungen und Planungsprozesse. Bis Ende 2025 will SAP 80 Prozent der meistverwendeten SAP-Anwendungen mit diesen Datenprodukten ausgestattet haben. Über Schnittstellen zu Partnerlösungen wie Databricks können auch unstrukturierte Datenquellen mit eingebunden werden.
Ebenfalls auf der SAP-Roadmap für Ende 2025 und ein „klares Versprechen“ laut Herzig: Die Anbindung von On-Premises-Systemen an die SAP BDC sowie die Übernahme von existierenden IT-Landschaften, insbesondere auch von Lakehouse-Architekturen mit Databricks.
„Die SAP Business Data Cloud setzt mit dem Knowledge Graph und der semantischen Modellierung dahinter ein starkes Signal für SAPs Datenstrategie und die Chancen für Unternehmen in der Cloud und On-Premises. Entscheidend wird nun sein, wie praxisnah die nächsten Schritte ausgestaltet werden.“
Maike Rose (Chefredakteurin IT-Onlinemagazin)
SAP BDC: Offene Fragen zu Kommerzialisierung, Capacity-Modell und Architekturstrategie
Noch offen sind derzeit zentrale Fragen rund um die Kommerzialisierung: Die Aufteilung von Rechten und Pflichten, das zugrunde liegende Capacity-Modell sowie verbindliche Standards für Architektur und Integration sind bislang nicht abschließend definiert. Beim Capacity-Modell handelt es sich um ein nutzungsbasiertes Abrechnungsprinzip – Unternehmen zahlen nicht pauschal, sondern orientiert am Verbrauch. Die Kosten werden hier also stark von der sogenannten Adoption Rate, der tatsächlichen Nutzung, abhängig sein. Zwischen einer günstigen Implementierung und explodierenden Kosten bei intensiver Nutzung kann es derzeit noch unübersichtlich werden für Unternehmen, nicht nur bei der BDC.
„Zentralisierte Daten sind die Basis für AI und neuen Analysemöglichkeiten, deren Potentiale wir nur erahnen können. Die SAP BDC hat das Zeug dazu, die Silos aufzulösen — aber nur, wenn der Preis stimmt.“
Helge Sanden (Chefredakteur IT-Onlinemagazin)
KI mit SAP: Erste Erfolge und noch viel Potenzial
Daten sind die wichtigste Grundlage für künstliche Intelligenz und die Installationsraten laut Dr. Herzig hoch: Er spricht von mittlerweile 34.000 Kunden mit produktiv installierter SAP Business AI. Das entspricht einem Kunden-Wachstum von 26 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, darunter auch deutsche Unternehmen, die Herzig als Beispiel nennt: Bosch nutze KI im Servicemanagement, Henkel setze sie für ein beschleunigtes Rechnungsmanagement ein, Uniper im Bereich Bestellanforderungen. Das beste Beispiel für die SAP-Integrationsstrategie ist laut Herzig die SAP-eigene KI „Joule“. Sie läuft technisch auf der SAP Business Technology Plattform (BTP), funktioniert aber als lösungsübergreifender Layer, der schnell in die Anwendungen einzubinden sei.
SAP liefert 400 generative KI-Szenarien für Joule bis Ende 2025

Im letzten Jahr waren es 100, jetzt sollen es 400 Use Cases für generative KI sein, die SAP für die eigene Künstliche Intelligenz „Joule“ ausliefert bis Ende des Jahres. Allein die Zahl spricht schon dafür, dass hier mit Hochdruck weiter entwickelt wird. Welches Potenzial hinter der puren Masse steckt, ist derzeit noch schwer zu greifen. In Gesprächen mit SAP-Kunden und -Partnern wurde uns noch nicht über weitere größere KI-Projekte mit SAP Joule aus der Umsetzung berichtet. Konkrete Pläne dazu gibt es aber, z.B. von Piller, Blowers & Compressors (Quelle: LinkedIn).
Anm. d. Red.: Wir freuen uns über Ihre Erfahrungsberichte mit SAP Joule! Kontaktieren Sie uns unter: redaktion (at) it-onlinemagazin.de
KI in SAP: Unternehmen setzen Projekte auch ohne RISE und Joule um
Künstliche Intelligenz oder im weiten Sinne Automation bleibt ein großes Anliegen von Unternehmen und die Investitionsbereitschaft ist offensichtlich da. Es geht um mehr Effizienz, Arbeitsentlastung, Prozessoptimierung und Qualitätssicherung. Die Vielfalt der Anwendungsfälle ist groß. Diese kann mit Eigenentwicklung auch unabhängig von den SAP-Angeboten RISE und GROW für SAP On-Premises und die SAP S/4HANA Private Cloud genutzt werden und das nimmt gerade scheinbar Fahrt auf. Verschiedene Umfragen, u.a. eine der DSAG von Ende 2024, zeigen, dass viele Unternehmen sich in Vorprojekten zur KI-Nutzung befinden. Die Ergebnisse werden nun offensichtlich vermehrt umgesetzt. In Gesprächen mit SAP-Kunden und Partnern war vereinzelt die Rede von teilweise hohen, nur auf KI ausgerichteten Projektbudgets außerhalb von RISE und der Nutzung von SAP Joule. Hier schafft man jetzt offensichtlich eigene Fakten.
RISE with SAP geht bei Integration noch nicht weit genug
Das S/4HANA-Umstiegsangebot RISE with SAP verspricht einen ganzheitlichen Weg in die Cloud, die Integration bleibt aber noch eine Herausforderung. Ein durchgängiges Betriebsmodell, flexible Adaption ohne Systemgrenzen und verbindliche Sicherheitsstandards sind zentrale Bausteine, die stärker verankert werden müssten, sagt Sebastian Westphal in seiner Keynote. Auch das Leistungsportfolio wirke noch zu wenig abgestimmt. Vom Deployment bis zur Zielarchitektur fehlt oft die durchgehende Klammer. Für viele Unternehmen bleibt die Integration damit ein eigenständiges Projekt – trotz standardisierter Angebote.
Aus SAP-Sicht liegt ein Showstopper auch in der Adoption an sich. Herzig sagt, vieles sei schon da, würde aber nicht oder nicht wie im Design vorgesehen genutzt. Das führe zu Brüchen und ungewollten Brownfield-Situationen, die erst wieder umgestellt werden müssen.
SAP-Add-on-Zertifizierung für S/4HANA verlängert bis 2026
60 bis 70 Prozent der SAP-Partner-Add-ons sollen davon profitieren: Herzig verkündet eine Verlängerung der Zertifizierung von SAP Add-ons für S/4HANA von Q3 2025 jetzt auf Q3 2026. Außerdem sollen die Clean Core Richtlinien noch einmal angepasst und in den nächsten zwei bis drei Monaten veröffentlicht werden. Ab Herbst nächsten Jahres müssen die Add-ons dann umprogrammiert sein. Zur Unterstützung für SAP Partner ist eine kostenfreie Lizenz für Joule for Developers im Rahmen der SAP Public Cloud noch bis September 2025 verfügbar.
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SAP Security Dashboard ist kein DSAG-Thema mehr
Das einst vielversprechende SAP Security Dashboard war zu den diesjährigen Techtagen nur noch eine Randnotiz. Eine aktive Zusammenarbeit mit der DSAG findet dazu nicht mehr statt. Viele Anwenderunternehmen greifen auf Eigenentwicklungen zurück, sagt Westphal. Die Weiterentwicklung des Dashboards von Seiten SAP sei zugunsten cloudzentrierter Themen nicht mehr ausreichend.
Adobe Documents Services kommen erst 2027 auf XSA for HANA
2027 bzw. 2030 mit Wartungsverlängerung ist und bleibt auch das Ende der Lizenzierung für die Adobe Document Services auf NetWeaver Java. Die Services auf der BTP zu nutzen, bleibt erste Wahl für Cloud-Kunden. Für On-Premises gilt: Unternehmen müssen auf XSA for HANA wechseln. Zusammen mit Adobe arbeitet man an der Lösung, kann sie aber nun erst in Q1 2027 statt 2026 ausliefern. Wenn man sich für den S/4HANA Java Stack entscheidet, hat man laut SAP ohne Wartungsverlängerung noch Zeit bis 2030 für den Umstieg auf XSA for HANA.
Fazit: Fortschritt mit offenen Flanken
Der Begriff „Adoption“ ist auffällig oft gefallen auf den DSAG-Technologietagen 2025. Die Antwort auf die geringe Rate lässt sich nicht pauschal beantworten. Mehr Information, bessere Schulung und Beratung für SAP-Kunden und -Partner, verlässliche Auslieferung ausgereifter, durchgängig integrierbarer Lösungen von SAP, ein transparentes Lizenzmodell mit Kostenkontrolle, eine investitionssichere Cloud-Strategie – die Liste an Stellschrauben ist lang und wird sich zum Wartungsende 2027 sicher nicht auflösen.
Das dürfte die rund 50 Prozent SAP-ECC-Kunden nicht in Euphorie zum Umstieg in die Cloud verfallen lassen. SAP treibt zentrale Zukunftsthemen wie Datenplattformen, KI und Cloud-Transformation deutlich sichtbar voran. Vielleicht wird die SAP BDC zum Katalysator. Die SAP-Community dürfte jedenfalls weiter sehr gespannt sein auf die nächsten Umsetzungsschritte. Auch hier gilt: SAP, Kunden und Implementierungspartner werden nur gemeinsam für eine gelungene Adoption sorgen können.
Keine leichte Situation für Unternehmen in wirtschaftlich schwierigen Zeiten: Wer jetzt in Cloud und KI investiert, muss nicht nur mutig und innovativ, sondern auch wachsam und gut informiert sein. Wer zu lange zögert, könnte allerdings auch schon bald vom Markt abgehängt werden.