
Der Schweizer Handels- und Produktionskonzern Coop hat sein Konditions- und Vertragswesen konsequent digitalisiert – und profitiert nun von höherer Transparenz, geringerer Fehleranfälligkeit und strategischer Steuerungsfähigkeit. Im Expert-Talk mit dem IT-Onlinemagazin gaben David Klingele (Coop) und Raphael Stumpf (gicom) Einblicke in Ziele, Herausforderungen und Möglichkeiten der Automatisierung.
Lieferantenvereinbarungen neu ausrichten
Rückvergütungen, Boni, Werbekostenzuschüsse: Im Einkauf großer Handelsunternehmen spielen Lieferantenvereinbarungen eine zentrale Rolle für die Steuerung der Kostenstruktur Doch gerade in diesem sensiblen Bereich arbeiten viele Firmen noch immer mit dezentralen Systemen, manuell gepflegten Excel-Dateien und papierbasierten Prozessen – mit entsprechenden Risiken.
Als einer der größten Detail- und Großhändler sowie Produktionsunternehmen der Schweiz hat Coop sich deshalb frühzeitig dazu entschieden, das Vereinbarungsmanagement auf ein neues Fundament zu setzen. „Die jährliche Abrechnung war ein manueller und tendenziell fehleranfälliger Prozess – verteilt auf Excel-Dateien und physische Vertragsordner“, erinnert sich David Klingele, verantwortlich für IT-Prozesse im Einkauf bei Coop. Dies sei nicht nur operativ ein Problem, sondern auch aus Compliance-Sicht ein Risiko gewesen.
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Vereinbarungsmanagement: Drei Ziele, eine Lösung
Um hier gegenzusteuern, definierte Coop drei zentrale Ziele: Erstens sollten sämtliche Vereinbarungen zentral, revisionssicher und standortübergreifend zugänglich sein. Zweitens sollte die Abrechnung automatisiert und in das ERP-System eingebettet erfolgen. Drittens galt es, dem Einkauf auf Basis vorhandener, auswertbarer Daten eine belastbare Verhandlungsgrundlage zu bieten.
Gemeinsam mit Umsetzungspartner gicom führte der Handelskonzern ein Add-on zur SAP-Komponente „Condition Contract Management“ (CCM) ein. Dies bildet Vereinbarungsprozesse von der Erfassung bis zur Abrechnung inklusive Auditfunktionen, Reporting und digitaler Signaturen ab und stellt bei Coop die Weichen für ein transparentes Vereinbarungsmanagement: Vereinbarungen sind heute zentral verfügbar, Änderungen werden in Echtzeit systemseitig nachvollzogen. Abrechnungen erfolgen automatisiert, inklusive Buchungsbelegen und Gutschriftversand.
Hinzu kommt: Das System sendet rechtzeitig Erinnerungen bei auslaufenden Verträgen und sorgt für durchgängige Compliance – auch gegenüber Wirtschaftsprüfern. Zudem liefert das Tool belastbare Aussagen zu geltenden Konditionen, Preiskomponenten und Margeneffekten. „Wir konnten nicht nur Fehler reduzieren, sondern auch unsere Verhandlungsposition stärken“, betont Klingele. Besonders der Zeitgewinn und die Transparenz im Category Management seien strategische Vorteile.
Learnings aus dem Coop-Projekt
1. Digitalisierung braucht Kontext – nicht nur Technologie
Die Einführung eines digitalen Vereinbarungsmanagements ist kein IT-Projekt, sondern ein unternehmensweiter Transformationsprozess. Erfolgreich war Coop vor allem deshalb, weil Einkauf, IT, Controlling und Finanzwesen eng verzahnt zusammenarbeiteten.
2. Transparenz schafft Verhandlungsmacht
Mit dem zentralen Zugriff auf alle Vertragskonditionen kann Coop nicht nur effizienter abrechnen, sondern auch strukturierter verhandeln. Historische Daten, Vertragslaufzeiten und Konditionsverläufe bilden die Grundlage für fundierte Entscheidungen.
3. Fehler kosten – Automatisierung rechnet sich
Manuelle Excel-Prozesse bergen hohe Risiken und verdeckte Verluste. Die automatisierte Abrechnung über das System stellt sicher, dass keine Ansprüche vergessen oder falsch verbucht werden. Compliance inklusive.
Vereinbarungsmanagement als strategischer Hebel
Das zeigt: Die Digitalisierung des Vereinbarungsmanagements ist mehr als nur Prozessoptimierung. Sie erlaubt Unternehmen, das Potenzial ihrer Konditionsverhandlungen systematisch zu nutzen – und zugleich Risiken durch Intransparenz oder fehlerhafte Abrechnungen zu minimieren. „In Zeiten sinkender Margen und steigender regulatorischer Anforderungen wird das Thema zunehmend zum strategischen Hebel“, resümiert Raphael Stumpf.
