Letzte Woche haben wir die strategischen Aspekte der SAP Cloud-Transformation und ihre Auswirkungen betrachtet. In folgendem Artikel gehen wir auf weitere relevante Cloud-Rahmenbedingungen und Entscheidungskriterien ein — und darauf, wie man die Umsetzung gestalten kann.
Fachkräftemangel und interne Kompetenzen
Die Cloud-Transformation erfordert neue Kompetenzen: Architektur, Security, Governance, DevOps, Steuerung und Cloud-Management. Doch genau diese Fachkräfte sind rar. Viele IT-Abteilungen haben das Wissen für den Betrieb klassischer On-Premise-Systeme, nicht aber für dynamische Cloud-Umgebungen.
Weitsichtige CIO investieren daher früh in Weiterbildung und Umschulung, um Abhängigkeiten von externen Dienstleistern zu reduzieren. Trotzdem hilft es in der Startphase, Partner mit Erfahrung einzubinden, ohne jedoch die Verantwortung komplett aus der Hand zu geben. Langfristig gilt es, internes Know-how aufzubauen, um Abhängigkeiten von externen Dienstleistern zu reduzieren. Ein Talentmanagement-Programm mit klarer Rollenentwicklung kann hier den entscheidenden Unterschied machen.
Folgende Frage sollte man sich stellen: Wo werden Absolventinnen und Absolventen lieber den Berufseinstieg finden — in der IT-Abteilung mit SAP On-Premises mit SAP GUI oder in der IT-Organisation, die zeitgemäße Cloud-Lösungen einsetzt und managt?
Widerstand und Change-Management
Cloud-Transformation bedeutet auch organisatorischen Wandel. Mitarbeiter müssen mit neuen Tools arbeiten, Fachbereiche verlieren teilweise liebgewonnene Freiheiten, und gewohnte Abläufe ändern sich. Nicht selten stoßen CIOs auf Widerstand – von der Fachabteilung bis zur Geschäftsleitung.
Die Cloud verändert auch die Rolle der IT-Organisation, interne Teams entwickeln sich vom „Systembetreiber“ hin zum Business Enabler — oder im schlimmsten Fall zum reaktiven, verlängerten Arm des Cloud-Anbieters. Neue Skills werden erforderlich: Cloud-Architektur, Security-by-Design, Datenkompetenz, DevOps, Cloud-Monitoring und Steuerung der Cloud-Dienstleister bis hin zu aktuellem Beratungsknowhow bezüglich KI und anderen Innovationen.
Zitat eines CIOs: „Technisch und organisatorisch bekommen wir das hin. Die größte Hürde ist das Change-Management.“ Er wird die Veränderung daher aktiv managen.
Die Cloud darf nicht als Selbstzweck „von oben verordnet“ wirken, sondern muss gemeinsam mit den Fachbereichen gestaltet werden. Erfolgreich sind CIOs, die Mehrwerte greifbar machen, z. B. durch Pilotprojekte oder Quick-Wins. Kommunikation ist dabei mindestens so wichtig wie Technologie, aber wird fatalerweise gerne als überflüssiges nice-to-have aus den Budgets gestrichen. Führungskräfte sollten ihre Rolle als Multiplikatoren wahrnehmen, damit der Wandel nicht auf halber Strecke stecken bleibt.
Multi-Cloud- und Hybrid-Szenarien
Die Realität in Unternehmen heißt selten „alles in die Cloud“. Stattdessen entstehen hybride Szenarien: Teile der Systeme laufen On-Premise, andere in der Public oder Private Cloud. Schnell entstehen komplexe Multi-Cloud-Strukturen mit verschiedenen Providern, Schnittstellen und Verträgen.
Risiko: Wer hier keine klare Strategie hat, läuft Gefahr, eine noch unübersichtlichere Landschaft zu betreiben als zuvor. Insbesondere die Integration und das Monitoring mehrerer Plattformen kosten Zeit, Ressourcen und Nerven.
Tipp: Einheitliche Governance-Modelle, definierte Standards und eine sorgfältige Integration. Ein zentrales Monitoring und einheitliche Sicherheitsrichtlinien sind Pflicht. Der Einsatz von Multi-Cloud-Management-Tools kann helfen, Transparenz und Kontrolle zu behalten. Dabei geht es nicht nur um Technik, sondern auch um Vertrags- und Lizenzmanagement über mehrere Anbieter hinweg.
Abhängigkeit vom Anbieter (Vendor Lock-in)
Viele Cloud-Anbieter versuchen, Kunden mit attraktiven Einstiegsangeboten an ihre Plattform zu binden. Doch sobald kritische Daten und Prozesse einmal dort laufen, wird ein Wechsel teuer und aufwendig. Nutzen Unternehmen proprietäre Services eines Hyperscalers, die sich später kaum in eine andere Umgebung migrieren lassen, dann steigen die Kosten und die Verhandlungsmacht sinkt.
Laut IT-Onlinemagazin Umfrage aus dem Frühjahr 2025 meinen 86 Prozent der SAP-Kunden, dass die Cloud für eine größere Abhängigkeit von SAP sorgt – 85 Prozent fühlen sich von den Anbietern in die Cloud gedrängt.
Mit der Cloud Business Suite stellt SAP in Aussicht, die Interoperabilität der verschiedenen, teils zugekauften SAP-Cloud-Lösungen out-of-the-box zu gewährleisten. Das ist ein früherer Wettbewerbsvorteil der SAP und auch eine langjährige Forderung der DSAG für die neue Generation von Unternehmenssoftware — noch ist ein Stück bis zum Ziel zu gehen.
Managed Integration von Systemen und Prozessen
Eine oft unterschätzte Herausforderung ist die Integration der unterschiedlichen Systeme und Anwendungen, die in der Cloud-Transformation eine Rolle spielen. SAP spricht in diesem Zusammenhang von „Managed Integration“ – also einer zentral gesteuerten, standardisierten Integration, die Unternehmen von manuellen Schnittstellenprojekten entlasten soll.
Die Realität zeigt: In hybriden Landschaften müssen SAP-Systeme mit Cloud-Anwendungen, Non-SAP-Systemen, Partnerlösungen und branchenspezifischen Plattformen verbunden werden. Ohne klare Integrationsstrategie drohen Dateninseln, Prozessbrüche und hohe Kosten durch individuelle Schnittstellen.
Es ist wichtig, Managed Integration als strategisches Thema behandeln und prüfen, welche Services SAP in der Business Technology Platform (BTP) bereitstellt. Standardisierte APIs, vorgefertigte Integrationsszenarien und zentrale Steuerungsmöglichkeiten können die Komplexität erheblich reduzieren. Wichtig ist, dass Integration nicht nur technisch verstanden wird: Auch organisatorisch muss festgelegt werden, wer für die Steuerung verantwortlich ist und wie neue Anforderungen schnell und sicher umgesetzt werden.
Gerade in der Cloud-Welt ist Integration kein einmaliges Projekt, sondern ein fortlaufender Prozess. Mit einem Managed-Integration-Ansatz können CIOs sicherstellen, dass Systeme und Prozesse nachhaltig miteinander verbunden bleiben.
Cloud-Transformation als strategische Entscheidung
Die Cloud-Transformation von SAP-Systemen ist keine rein technische Aufgabe, sondern eine strategische Weichenstellung für das gesamte Unternehmen und auch die IT. Nur wer neben der Technik auch Business-Strategie, Governance, Wirtschaftlichkeit und Zukunftsperspektiven berücksichtigt, kann die Cloud als Wettbewerbsvorteil nutzen und gleichzeitig Abhängigkeiten, Kostenfallen und Compliance-Risiken vermeiden.
SAP verfolgt seit Jahren eine klare Public-Cloud-Strategie – beispielsweise mit SuccessFactors, S/4HANA Cloud, Business Technology Platform (BTP), seit diesem Jahr zusätzlich verstärkt mit der SAP Business Data Cloud und der Cloud Business Suite. Die SAP-Anstrengungen fokussieren fast ausschließlich auf KI und Public Cloud.
Unternehmen sind aus verschiedensten Gründen oft noch nicht dazu bereit oder in der Lage vollständig in die Cloud zu gehen. Aber rund die Hälfte antwortete bei der IT-Onlinemagazin Umfrage 2025 auf die Frage: „Wie werden Sie 2030 mit SAP arbeiten: Wo es geht On-Premise?“ mit „nein“ oder „eher nein“.
CIOs stehen daher vor der doppelten Herausforderung, einerseits den Weg des Herstellers nachzuvollziehen und andererseits die individuellen Anforderungen des eigenen Unternehmens zu berücksichtigen. Am Ende entscheidet nicht die Technik über Erfolg oder Misserfolg, sondern die Fähigkeit der IT-Organisation, SAPs Cloud-Strategie in die eigene Unternehmensrealität zu übersetzen – mit Blick und unter Berücksichtigung aller Facetten.
Haben Sie Erfahrungen oder zusätzliche Tipps zur Cloud-Transformation? Schreiben Sie uns – wir freuen uns auf den Austausch.