SAP HCM: „Innovation wird akzeptiert, wenn sie entlastet oder schneller macht“

Interview J4HR (2)
Volker Müller und Oliver Brück (beide J4HR) im Gespräch mit Maike Rose (v.l.n.r.)

Kaum ein Unternehmensbereich verändert sich derzeit so dynamisch wie das Personalwesen. Mit dem gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und technologischen Wandel steigen die Anforderungen an digitale HR-Lösungen enorm. Zugleich müssen Unternehmen im SAP-Umfeld jetzt Entscheidungen für die digitale Transformation treffen. Wie man sich darauf vorbereitet und wo Künstliche Intelligenz gerade deutlich Einzug hält, erklären die SAP-HR-Experten Volker Müller und Oliver Brück, beide Managing Partner bei J4HR, im Interview mit Maike Rose, Chefredakteurin und Geschäftsführerin beim IT-Onlinemagazin.

 

HR-Anforderungen steigen 

Maike Rose: Herr Müller, welche Anforderungen an HR-Funktionalität sehen Sie von Seiten der Kunden?

Volker Müller: Unsere Kunden erwarten heute eine durchgängige digitale HR-Landschaft – vom Recruiting über Onboarding, Talent-Management und Compensation bis hin zu Zeitwirtschaft und Payroll. Zentral ist der Wunsch nach Harmonisierung statt reiner Abbildung bestehender Strukturen. Daten und Prozesse sollen konsistent und revisionssicher sein, idealerweise mit klaren Workflows und nachvollziehbaren Verantwortlichkeiten. Ein zentrales Mitarbeiterprofil, transparente Organigramme und einheitliche Stammdaten machen den Unterschied. Gleichzeitig steigen die Anforderungen an Employee Experience: Self-Services, mobile Nutzbarkeit, intuitive Benutzeroberflächen und klare Schritte im Prozess. Viele Unternehmen wollen nicht mehr „IT für HR“, sondern eine Plattform, die Mitarbeitenden echten Mehrwert bietet – von der Bewerbungsphase bis zum Weiterbildungs- oder Versetzungsprozess.

 

Maike Rose: Herr Brück, deckt sich das mit Ihrer Sicht auf die Haupttreiber für Innovationen im HR-Bereich?

Oliver Brück: Ja, sehr deutlich. Innovationen werden vor allem dann akzeptiert, wenn sie Produktivität steigern oder administrative Last reduzieren. Neue Technologien haben einen Impact, wenn sie messbar sind: automatisierte Genehmigungsprozesse, Forecasts im Recruiting, Skill-basierte Matching-Funktionen, AI-gestützte Inhalte. Ein zweiter Treiber ist Talent-Entwicklung. Unternehmen verstehen zunehmend, dass Nachwuchsbeschaffung allein nicht genügt. Technologien, die Mitarbeiterentwicklung und interne Mobilität fördern, sind daher echte Hebel im Wettbewerb um Fachkräfte.

 

SAP-Technologie allein reicht nicht für HR

Maike Rose: Woher kommen die Nachfragen – eher von Seiten der IT, aus der Fachabteilung oder von den Endanwendern?

Volker Müller: Früher wurden HR-Systemprojekte von HR initiiert und von der IT umgesetzt. Heute sehen wir mehr ein Dreieck: Die Fachbereiche definieren Prozesse und Ziele, die IT bewertet Integrationen und Datenschutz, und die Endanwender treiben die Usability. Besonders bei Cloud-Implementierungen wie SAP SuccessFactors entsteht ein gleichberechtigter Dialog. Ein CFO stellt Fragen zu Effizienz und Skalierbarkeit, eine HR-Leitung will Talent-Strategien abbilden, Führungskräfte wünschen sich schnelle Genehmigungen, Mitarbeitende fordern Transparenz. Erfolg entsteht aber erst dann, wenn alle drei Perspektiven synchronisiert werden – Projekte scheitern selten an Technologie, sondern an zu wenig gemeinsamer Ownership.

 

Maike Rose: Inwieweit wird aus Ihrer Sicht HR von den Unternehmensführungen als strategisches Thema wahrgenommen – und als solches in Projekten auch speziell vorangetrieben?

Oliver Brück: Der Trend geht eindeutig in Richtung strategisches HR. In Zeiten von Fachkräftemangel und demografischem Wandel erkennen Vorstände HR als Wertschöpfungsfaktor, nicht als Kostenstelle. In Projekten zeigt sich das in Top-Management Steering-Committees, Priorisierung von Employee Experience sowie Investitionen in Learning, Skill-Management und Personalentwicklung. Trotzdem herrscht in vielen Unternehmen noch ein operativer Reflex: Wenn Budgets knapp werden, landen HR-Transformationen wieder in der Kategorie „nice to have“. Erfolgreiche Projekte sind daher jene, bei denen Business Case und HR-Strategie klar miteinander verknüpft sind.

 

SAP-Kunden planen hybrid mit SuccessFactors

Neigen SAP-Kunden in puncto HR eher zum Umstieg in die Cloud – oder setzen Kunden hier noch lieber auf On-Premises mit SAP HCM?

Volker Müller: Das hängt stark von Unternehmensgröße, Branche und vorhandener Systemlandschaft ab. SuccessFactors ist heute die Standardempfehlung für strategisches HR, Talent-Management und internationale Organisationen. SAP HCM On-Premises wird häufig dort weitergeführt, wo komplexe Zeitszenarien, Tarifmodelle oder Legacy-Integrationen bestehen. Mit SAP H4S4 (SAP HCM for S/4HANA) verlängert SAP die On-Prem-Lebenszeit — das schafft Planungssicherheit, aber keine Innovationsdynamik. Die meisten Entscheider planen hybrid: Core HR in SuccessFactors, Payroll und komplexe Zeitwirtschaft zunächst On-Prem, später dann möglicherweise schrittweise in die Cloud.

 

SAP HR-Angebot für die Cloud: Es gibt noch Lücken

Maike Rose: Wie beurteilen Sie das aktuelle HR-Angebot von SAP aus der Projekterfahrung – wo sehen Sie Bedarf an Anpassung und Innovation?

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Volker Müller: SuccessFactors bietet ein starkes Fundament im Talent- und Experience-Bereich. Employee Central ist gereift; echte Mehrwerte entstehen aber erst durch klare Prozessführung und gute Datenmodelle. In Projekten wünschen sich Kunden noch mehr „Best Practices“, die out-of-the-box funktionieren – weniger Konfigurationsaufwand für Standardfälle. Schwächen sehen wir bei der regionalen Payroll, Zeitwirtschaft und Reporting. Hier existieren zu viele Sonderfälle, wodurch Unternehmen schneller zur Individualisierung greifen. Ein weiteres Feld ist Skill-Management: Viele Organisationen erwarten, dass Skills nicht nur verwaltet, sondern aktiv mit Learning, Karrierewegen und Nachfolgeplanung verknüpft werden. SAP bewegt sich in diese Richtung, muss sie aber noch konsequenter zu Ende denken.

 

Maike Rose: Beobachten Sie aktuell gesteigerte Anfragen aus HR zu künstlicher Intelligenz?

Oliver Brück: Ja – die Nachfrage steigt deutlich. Vor wenigen Jahren war KI ein „Zukunftsthema“. Heute wird sie als konkretes Werkzeug betrachtet, um HR-Teams zu entlasten und Prozesse zu beschleunigen. Entscheider wollen wissen: Welche Aufgaben lassen sich sofort automatisieren? Wo bestehen Risiken? Und wie integrieren wir KI verantwortungsvoll? Mit neuen Angeboten wie SAP-Joule wird KI greifbar, weil sie im Prozess selbst auftaucht und nicht außerhalb der HR-Plattform.

 

KI für HR und Recruiting hält Einzug

Gibt es hier Szenarien, die besonders nachgefragt werden?

Oliver Brück: Die stärksten Use Cases sind Textgenerierung und Matching. Recruiting-Teams nutzen KI für Stellenanzeigen, Screening oder Interviewleitfäden. HR-Business-Partner generieren Feedbacktexte oder Leistungsbeurteilungen. Führungskräfte erhalten erklärende Assistenzfunktionen für selten genutzte Prozesse – zum Beispiel Vertragsänderungen oder Auslandsentsendungen. Darüber hinaus steigt das Interesse an Predictive Analytics: Fluktuationsrisiken, Hiring-Bedarf oder interne Mobilität. Entscheidend ist Governance: KI soll Entscheidungen vorbereiten, nicht ersetzen. Unternehmen akzeptieren KI dort, wo sie hilft, qualitativere HR-Arbeit zu leisten, ohne Verantwortung abzugeben.

Maike Rose: Vielen Dank!

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